"Le Grand Macabre" in Frankfurt: Orgien der Apokalypse

05. November 2023 - 23:56 Uhr

Frankfurt am Main (MH) – Frankfurt am Main: Mit lebhaftem Beifall begrüßte das nahezu ausverkaufte Haus am Sonntagabend die Frankfurter Erstaufführung von György Ligetis Weltuntergangsoper "Le Grand Macabre" in der überarbeiteten englischen Version von 1996. Aus der schlüssigen Sicht von Regisseur Vasily Barkhatov wird die Hauptfigur Nekrozar nicht zur allmächtigen Inkarnation des Todes, sondern zum unscheinbaren Leichenwagenfahrer und gesellschaftlichen Underdog, von dessen langjähriger Untergangsprophetie niemand beeindruckt ist. Erst als Fernseh-Meldungen aus der ganzen Welt den Einschlag eines Kometen ankündigen, sind die Menschen teilweise bereit, ihm zuzuhören.

"Le Grand Macabre"

"Le Grand Macabre"

Für das erste Bild wuchtet Bühnenbildner Zinovy Margolin einen gewaltigen Autobahnzubringer mit vielen Autos, einer Polizeistreife, Taxis und einem großen Campingwagen auf die Bühne, in denen durchschnittliche Menschen mit der drohenden Weltzerstörung umzugehen versuchen. Im zweiten Teil gibt sich die mit Koks und Alkohol aufgeputschte Upperclass im stilecht errichteten "Luxus Royal Palace Nightclub" der finalen Orgie hin. Olga Shaishmelashvilis Kostüme befeuern den Tanz auf dem Vulkan mit einem wahren Ausstattungsrausch. Ob Pharao mit schwarzen Flügeln, Napoleon, Dschingis Khan oder Kleopatra: Bis zum Schluss entdeckt man immer neue Roben des versnobten Partyvolks.

Gesungen und musiziert wird auf allerhöchstem Niveau: Am Pult surft der neue Generalmusikdirektor Thomas Guggeis mit seinen Musikern stilsicher durch 500 Jahre Operngeschichte und beweist dabei von der eröffnenden "Toccata für zwölf Autohupen" bis zur abschließenden Passacaglia trotz des ständigen Wechsels zwischen extremen Prestissimi und enervierender Langsamkeit Nerven wie Drahtseile. Zu Recht holt er am Ende das komplette, immer wieder bis an die Grenzen der Überforderung getriebene Orchester zum Schlussapplaus auf die Bühne. Die aufregendsten Sängerinnen stammen aus dem Ensemble: Sopranistin Anna Nekhames in der rasanten Doppelrolle als Venus und Chef der Gepopo sprengt alle Grenzen, ebenso Elizabeth Reiter als Amanda und die wandlungsfähige Karolina Makula in der Rolle Amandos. Überragend auch die Gäste Eric Jurenas (Fürst Go-Go), die wollüstige Mescalina von Claire Barnett-Jones und der von Einsamkeit umwehte Simon Neal als Nekrotzar. Alle geben am Premierenabend ihr überaus beeindruckendes Rollendebüt.

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(bb/wa)

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