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WIESBADEN/ Staatstheater: LOHENGRIN

04.11.2023 | Oper international

Wiesbaden: „LOHENGRIN“  Besuchte Aufführung am 03.11.2023

ort
Schlussapplaus mit Elsa, Lohengrin und Ortrud. Foto: Hoffmann

Zur neuen Produktion von Richard Wagners romantischer Oper „Lohengrin“ am Hessischen Staatstheater fand sich ein Quartett wahlverwandter Geister Henriette Hörnigk (Regie), Julius Theodor Semmelmann (Bühne), Bernd Bradler (Videos), Claudia Charlotte Burchard (Kostüme) tobte sich wider Textur und Musik aus. Bald gingen die eigenen abstrusen Ideen zur Neige und so borgte man sich Novitäten früherer Regiebanausen. Kollegin Inge Lore Tautz berichtete bereits ausführlich über den verzapften Unsinn, somit erübrigte sich für mich eine weitere Papierverschwendung. Ich schloss teilweise die Äuglein, schaltete meine elektronischen Hörverstärker auf Musik-Sound und genoss Wagners wunderbares narkotisches Klang-Aphrodisiakum umso mehr. In wenigen Momenten allerdings kamen besonders intensive Regiedetails während  personeller Konstellationen Telramund-Ortrud-Elsa oder Lohengrin-Elsa zutage, bewiesen, dass Hörningk ihr Handwerk versteht, jedoch die restliche Szenerie im Überflüssigen, heute typischen Regie-Kasperl-Theater  verpuffen ließ.

Nach bisher weniger erfreulichen Begegnungen mit Michael Güttler hatte der Dirigent das bestens disponierte Hessische Staatsorchester Wiesbaden recht gut im Griff, legte eine sehr eindringliche Lesart der Partitur vor. Die breiten Tempi welche er besonders im Lyrischen favorisierte gaben diesem Lohengrin eine mystische Aura, die weichen Holzbläser-Pastelle zur Einleitung von Elsas Euch Lüften verwöhnten die Ohren lukullisch. Elegisch erhoben sich die Violinen im Vorspiel, steigerten sich vereint mit den Blechbläsern zum imposanten Klangdom. Güttler brachte mit dem prächtig musizierenden Orchester Wagners Poesie, Prosa zum Leuchten ohne jedoch die äußerst musikdramatischen Aspekte zu vernachlässigen, die u.a. glänzend formierten Blechfraktionen kosteten die Partitureffekte stilvoll balanciert aus. Zuweilen weniger Forte zur Sängerbegleitung wäre sehr vorteilhaft.

Bevor ich mich jedoch den Solistinnen und Solisten widme möchte ich dem Staatstheater-Chor (Albert Horne) hohes Lob zollen. Konzentriert in bester transparenter Formation präsentierten die ausgewogenen Stimmgruppen  die Tableaus in akustisch vollendeter Position erzeugten im Zusammenspiel des Ensembles und Orchester regelrecht Gänsehaut-Berieselung, einfach nachhaltig traumhaft akustische Formationen.

Zum vorerst einmaligen Lohengrin-Gastspiel war nach seiner erfolgreichen Parsifal-Serie in Hannover Marco Jentzsch angereist und verlieh dem Titelhelden ein ganz besonderes tenorales Flair. Nach seinem grandiosen Tristan hier am Hause überraschte der vortreffliche Sänger erneut mit höchst beeindruckenden, bestens differenzierten Tenorqualitäten, Versiert, ohne konditionellen Einbußen sang Jentzsch diese Partie, schenkte den Passagen Nun sei bedankt – Gralserzählung belkanteske Lyrismen zum Niederknien, Zur exzellenten Artikulation gesellten sich silberhelle leuchtende Höhenaufschwünge von dennoch kernigem Fundament, was für eine edle wandlungsfähige herrlich timbrierte Stimme, wann zuvor wurde Elsa mit so viel Schmelz und liebevoller Seelenwärme umworben?

Bleiben wir sogleich bei seiner bewundernswerten Partnerin, als „Elschen“ stellte sich Heather Engebretson ein kapriziöses mädchenhaftes Persönchen vor und verlieh der Partie optisch sehr kindliche Aura, entwickelte sich allmählich vom trotzig-verspielten Geschöpf  zur wissend-reuigen Gemahlin. Es war faszinierend dieser unglaublich glasklaren, transparenten Sopranstimme mit den traumhaft anmutenden Piani zu lauschen und war bar der jugendlichen Ausstrahlung überrascht, welche enorme Vokalkraft sie während der Forte-Ensembles zu entwickeln vermochte.

Als bereits eindrucksvolle Brangäne brachte nun Khatuna Mikaberidze ihren prächtigen Mezzosopran zum Erblühen, wurde als Ortrud am schönsten und vorteilhaft kostümiert und entfaltete zu ihren bemerkenswerten stimmlichen Qualitäten, einfühlsam berechnendes darstellerisches Profil, Gewiss wären für diese „böse“ Figur mehr  geheimnisvoll- dunklere Stimmfarben vorteilhaft, doch glich die intelligente Sängerin diesen kleinen Einwand mit großartiger Darstellung aus.

Der ursprüngliche Telramund-Interpret wurde krank, ein Mannheimer Kollege war bereits  vermerkt und nun sprang kurzfristig Anton Keremietchiev ein, der Bariton war mir noch aus seiner einstigen Wirkungsstätte in Darmstadt bekannt und sein Stimmpotenzial entwickelte sich seitdem sehr vorteilhaft. Ausgezeichnet brachte der Sänger sein vitales, vorzüglich nuanciertes Timbre zum Einsatz und blieb der Partie ebenso darstellerisch nichts schuldig.

Ungewöhnliche Anlaufprobleme waren von Young Doo Park zu vernehmen, doch allmählich wuchs sein prächtiger Bass zu voller Blüte und gab Heinrich die königliche vokale Würde.

Regielich aufgewertet wurde die Partie des Heerrufers und Christopher Bolduc schien die Szenerie sichtlich Spaß zu machen und schenkte der Vokalseite mit seinem schön timbrierten Bariton wunderschöne Couleurs und feine Nuancen.

Stimmschön fügten sich Gabriele Jocaite, Izumi Geiger, Shirli Polena, Yeonjin Choi (Vier Edelknaben) sowie Tianji Lin, Istvan Balota, Benjamin Hee, Darcy Carroll (Vier brabantische Edle) ins vortreffliche Ensemble.

Mit großer Herzlichkeit und Bravos wurden die Mitwirkenden leistungsgerecht bedacht.

 

Gerhard Hoffmann

 

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