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WIEN / Neue Oper Wien: DIE JUDITH VON SHIMODA

olympus digital camera

Fotos; Copyright: Armin Bardel

WIEN / Neue Oper Wien im Akzent: 
DIE JUDITH VON SHIMODA von Fabian Panisello
Co-Produktion mit den Bregenzer Festspielen
Wiener Premiere: 2: November 2023  

Als man im September 2008 im Theater in der Josefstadt Bertolt Brechts „Die Judith von Shimoda“ sah (sogar als Uraufführung angekündigt), hielt sich die Begeisterung in Grenzen, Brecht hatte 1940/41 im finnischen Zwischen-Exil gemeinsam mit der finnischen Schriftstellerin Hella Wuolijoki teilweise ein Stück bearbeitet, das wiederum der japanische Autor Yamamoto Yuzo 1930 über eine japanische „Heldin“ des 19. Jahrhunderts geschrieben hatte. Eine junge Frau hatte sich für ihre Stadt aufgeopfert – und statt als Heldin gefeiert zu werden, wurde sie von ihren Landsleuten später als Ausländer-Hure geschmäht. Fazit des Brecht’schen Lehrstücks über den guten Menschen von Shimoda, Opferbereitschaft zahlt sich nicht aus, Heldentum lohnt sich nicht, und die Menschen sind im allgemeinen eine recht minderwertige Gesellschaft: Das liegt so auf der Hand, dass es am Theater keine besondere Begeisterung erregte.

Dennoch haben die Bregenzer Festspiele und die Neue Oper Wien, als sie einen Kompositionsauftrag an den argentinischen Komponisten Fabian Panisello vergaben, sich auf dieses Thema eingelassen. Bregenz, weil es einen interessanten modernen Kontrapunkt zur „Madama Butterfly“ am See bot (wieder Japaner und Amerikaner im Konflikt), die Neue Oper Wien, weil man eine kleine Panisello-Tradition hat, schließlich brachte man 2017 seine Camus-Oper „Le Malentendu“ heraus,

judith von shimoda plakat

Die „Judith“-Oper hat mit dem Stück von Brecht kaum etwas zu tun, der Librettist Juan Lucas hat sich mehr an das japanische Original als an die Brecht-Fassung gehalten. Dem Publikum ist angeraten, sich ein wenig auf den Abend vorzubereiten, sonst besteht die Gefahr, dass man trotz deutscher Sprache und deutschen Übertiteln akustisch doch nur rudimentär versteht, worum es geht, zumal die Nebendarsteller oft mit mehreren Rollen bedacht sind.  Wer ist wer, erschließt sich nicht immer, wenn auch Sprechen und Gesang oft ineinander übergehen und man dann zumindest teilweise Handlungsfetzen mit bekommt.

An sich ist es die Geschichte der Geisha Okichi, die dem amerikanischen Konsul in die Arme geworfen wird, der 1857 die Hafenstadt Shimoda beschießen lassen will, um so auf typisch amerikanische Art ein Handelsabkommen zu erzwingen. Man sieht die beiden zusammen, eine Liebesgeschichte wird es nicht, auch kein biblisches Kopf-Abhacken (was man ja mit Judith in Zusammenhang bringt), aber immerhin, die Stadt wird verschont. Sieben Jahre später erlebt man die Heldin, die keine ist und nie eine war, wie sie von ihrer Umwelt verachtet und ausgegrenzt wird – zweifellos sind das gegen Ende der 110 pausenlosen Minuten die eindrucksvollsten Szenen des Werks.

Die Inszenierung von Carmen C. Kruse beruht im Grunde auf einem Bühnenbild-Trick von Susanne Brendel, die für die gesamte Ausstattung und ein paar nicht unbedingt einsichtige Videos zuständig war. Das Geschehen auf der leeren Bühne wird durch einen schrägen Spiegel gleichzeitig in der Vogelperspektive gezeigt. Das ergibt immer wieder eindrucksvolle choreographische Bewegungsabläufe, die man ja nur „von oben“ richtig beurteilen kann, und lenkt davon ab, dass es in dem Abend immer wieder einförmige Passagen gibt.

Tatsächlich aber entscheidet bei einer Oper letztendlich die Musik. Es fällt auf, wie groß das Orchester ist, man hat das amadeus ensemble-wien schon schlanker erlebt, hier kommt zu aufwendigen Streichern und Bläsern noch üppiges Schlagzeug hinzu, und Walter Kobéra bekommt einiges an Live-Elektronik zugespielt.

Es gibt nicht allzu viele solo-instrumentale Szenen, aber diese scheinen doch geglückter als der Umgang des Komponisten mit den menschlichen, zumal weiblichen Stimmen, die immer in die höchsten Höhen gequält werden und solcherart die Ohren der Zuhörer nicht unbedingt beglücken. Aber immerhin schafft der Komponist eine einheitliche Klangwelt für sich, und so etwas entscheidet ja über die Qualität des Gebotenen.

judith von shiimoda die zwei~1

Die amerikanische Sopranistin Anna Davidson bekommt mit schwarzer Stirnfransen-Perücke den Asien-Look, um den sich Kostüme und die diversen Projektionen nicht unbedingt bemühen. Sie ist eindrucksvoll in der Unermüdlichkeit, höchste Töne hervor zu bringen, und als Figur, die im Grunde immer seltsam rätselhaft bleibt.

Gan-ya Ben-gur Akselrod und Megan Kahts in lebhaften Frauenfiguren teilen das Schicksal der exponierten Töne, die Herren haben es leichter – Alexander Kaimbacher, Martin Lechleitner, Harald Hieronymus Hein, Timothy Connor und Karl Huml sind nicht zuletzt durch die uncharakteristische Kleidung nicht immer identifizierbar, aber auf der Höhe ihrer Aufgaben.

Das Publikum im nicht ganz gefüllten  Akzent gab starke Zustimmung kund, am Ende durfte sich auch das Komponist seinen Teil am Applaus abholen.

Renate Wagner

 

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