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Klassik Giacomo Puccini

Warum tun Frauen Frauen so etwas an?

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Puccinis Dreiteiler an Berlins Deutscher Oper Puccinis Dreiteiler an Berlins Deutscher Oper
Puccinis Dreiteiler an Berlins Deutscher Oper
Quelle: EIKE WALKENHORST
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Zwei Regisseurinnen inszenieren in Berlin und Wien Giacomo Puccinis „Il Trittico“. Eine Oper aus drei Einaktern, die man nicht zusammen aufführen muss. Sie erzählen von Liebe, Mystik und Erbschleicherei. Und: von ungenutzten Potenzialen.

Gleich an zwei großen Opernbühnen in Berlin und Wien, mit nur wenigen Tagen Abstand, kam eben – der 100. Todestag 2024 naht – Giacomo Puccinis selten komplett zu sehender „Il trittico“ heraus. Drei Einakter aus dem Geiste von Dantes „Göttlicher Komödie“ sind das. Zeitlich rückwärts laufend erzählt in der dramaturgischen Abfolge Hölle, Fegefeuer, Himmel – Inferno, Purgatorium, Paradies.

Eine Pariser Dreiecksliebestragödie im Binnenschiffermilieu („Il tabarro“ – „Der Mantel“), die katholisch-mystische Nonnenepiphanie der „Suor Angelica“, die in einem Kloster bei Siena Selbstmord begeht, als sie von ihrer bösen Tante vom Tod ihres unehelichen Kindes erfährt, und schließlich die Florentiner Erbschleicherkomödie „Gianni Schicchi“, wo die gierigen Verwandten genasführt leer ausgehen und ein Liebespaar sich kriegt.

An beiden Häusern inszenierten zwei deutsche Frauen türkischer Abstammung: In Berlin durfte die 1987 in Mönchengladbach geborene, seit 2014 im Schauspiel zu Bekanntheit gekommene Pinar Karabulut nach einem ersten Berliner Open-Air-Erfolg mit Antony Turnages einstündiger Ödipus-Opern-Farce „Greek“ nun auf die große Szene der Deutschen Oper. In Wien gab die 1973 in Berlin geborene Ruth-Berghaus-Schülerin Tatjana Gürbaca, die seit 2001 Musiktheater inszeniert, an der Staatsoper ihr Debüt.

Der professionelle Unterschied war deutlich zu erleben. Wobei beide eine ideelle Verbindung zwischen den durchaus auch isoliert zu spielenden Werken suchten. Ohne freilich wirklich deren szenisches Diversitätspotenzial wirklich auszuschöpfen.

In Berlin steht vor allem viel kreischbuntes Gerümpel auf der stetig kreiselnden, Bewegung und damit Bedeutung vortäuschenden Szene herum. Eine Treppe mit Feuerflämmchen aus Papier, eine orangene Hochzeitskapelle, ein eingezäuntes Gärtchen, ein Termitenhaufen, ein Steg über einem trübschwarzen Wasserloch vor einem lilafarbenen Tropfsteinhöhlen-Rundhorizont, alles eingepasst in einen roten Rahmen.

Puccinis Dreiteiler in Wien
Puccinis Dreiteiler in Wien
Quelle: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Das kreiselt in den ersten beiden, pausenlos gegebenen Stücken stoisch vor sich hin. Personenregie kann Pinar Karabulut gar keine, man steht, geht, fällt, rudert mit Spielarmen. Es wird kein Milieu vorgezeigt und die musikalische Schilderung desselben führt völlig ins tönend Leere.

Nonnen, als grelle Käfer verkleidet, tänzeln durch alle drei Werke. Selbst in der „Suor Angelica“ haben sie aber keine größere Bedeutung, die Einzelfiguren und ihre Beschäftigungen werden niemals klar, sogar die Titelfigur ist nur singend unterscheidbar. Einzig Violeta Urmana röhrt aus der Rolle. Zu spielen hat sie nichts, dazu ist ihr Auftrittsraum im Termitenhügel viel zu beschränkt.

Mané Galoyan gestaltet die Angelica mit etwas zu zartem Sopran, am Ende steht sie im Presswurstoverall da und mit Blut zwischen den Beinen. Wieso eigentlich tun Frauen Frauen sowas an? Übersinnliches ist hier nicht im Spiel. Die Schwester stirbt irgendwie, weil es halt so im Libretto steht.

Das weist den „Gianni Schicchi“ als „Komödie“ aus, so gibt Karabulut hier mit noch schrillerer Emphase dem Klamottenaffen Zucker. Da wird chargiert, dass sich die Balken biegen, gut ausgestopft und grellfarben geschminkt geriert sich das spielfreudige wie singvergnügte Ensemble als grotesker Zuwachs der „Munsters“. Aber zu erzählen hat es in seiner dürftigen Mischung aus Herbert-Fritsch-Knallerbsengewackel und Ersan-Mondtag-Grellheit ebenfalls wenig. Ja, wir haben gelacht, aber sehr gezwungen.

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Immerhin: Es ist ein Triumph des Ensembles – Anika Schlicht als linkische Frugola mit Katzentragetasche, Suor Zelatrice und altersgreinende Zita. Mané Galoyan ist ebenfalls eine süße Lauretta, der weiche Tenor von Andrei Danilov (Rinuccio) gefällt viel besser als der draufdrückende Jonathan Tetelman als Luigi im „Tabarro“. Dort ist Misha Kiria ein voluminöser Michele, der brutal seine ihm fremd geworden Frau Giorgetta (mit frustriertem Sopran: Carmen Giannattasio) auf ihren gemordeten Liebhaber schubst, im „Schicchi“ steht er missmutig als Horrorclown rum.

„Schwerlich Glücklich Sein“

In Berlin begleitet John Fiore großmächtig, aber oft zu laut und wenig delikat. In Wien (nach dem Livestream zu urteilen) sorgt Philippe Jordan für mehr Ordnung und impressionistische Tupfer, bei weniger Beteiligtsein. Tatjana Gürbaca bindet dort das weitaus komplexer, aber auch nicht befriedigend ausgedeutete „Triptychon“ freilich besser, wenn auch nur locker zusammen. Dafür lässt sie auf der weitgehend leeren Bühne die Zitat-Leuchtschrift „Schwerlich Glücklich Sein“ strahlen, im geistlichen Mittelteil ist es nur das „Sein“, im komisch-skurrilen Finale das „Glücklich“. Warum auch immer.

Am schwächsten ist der „Tabarro“ mit einer arg teutonisch finsteren Besetzung (Anja Kampe, Michael Volle) gelungen, der seine beiden Protagonisten dumpf in hässlich heutiger Kleidung an der Rampe agieren lässt, der Luigi des lauten Joshua Guerrero findet kaum statt.

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Dafür laufen hinten dauernd Schattengestalten im Halbdunkeln herum. Später, nach einer geschäftig wuselnden, aber stimmig erzählten „Suor Angelica“ mit dem machtvollen Damenduo Eleonora Buratto und Michaela Schuster, wird klar: Das ist ein faschistoider Faschingszug, der den „Gianni Schicchi“ durchzieht, dessen Protagonisten sich nach und nach aus ihren Verkleidungen schälen und dann munter entpolitisiert geizige Komödie machen.

Auch in Wien ist das ein gelungener Ensemblespaß mit dem grimassenstarken Ambrogio Maestri als Schicchi, Serena Sáenz und Bogdan Volkov als durchsetzungsfähigem Liebespaar und nochmals Michael Schuster als schreckschraubige Spielmacherin Zita. Die reizvolle Bündelung dreier so auseinanderdriftender, aber doch musikalisch verschraubter Geschichten, die Claus Guth, Damiano Michieletto oder Tobias Kratzer inhaltlich beglaubigen konnten, die gelingt auch Tatjana Gürbaca in Wien nicht. Doch der nächste Jubiläums-„Triptychon“ folgt schon bald.

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