Opernhaus Zürich: Giacomo Puccinis „La Rondine“

Opernhaus Zürich/LA RONDINE/Ensemble/Foto @ Monika Rittershaus

Als 1913 Giacomo Puccini für eine Galavorstellung seiner „Fanciulla del West“ an die Hofoper nach Wien reiste und auch eine Operettenaufführung im damals führenden Karlstheater besuchte, nutzten die beiden Direktoren dieses Hauses die Gelegenheit und boten dem gefragten Komponisten den Auftrag für eine Operette an. Das große Honorar welches in Aussicht gestellt wurde, mag dann nach längerem Zögern der Beweggrund gewesen sein, sich auf die leichte Muse einzulassen. Jedoch sagte ihm das Textbuch von Alfred Willner und Heinz Reichert gar nicht zu. Erst als Giuseppe Adami diese Vorlage überarbeitet hatte, war Puccini bereit, mit dem Komponieren zu beginnen. (Besuchte Vorstellungen am 24.09. und 1.10.2023)

 

Der ursprüngliche Plan, eine Operette mit Musiknummern und eingefügten gesprochenen Dialogen wurde fallengelassen und so entstand ein durchkomponiertes „Drame lyrique“. Nur langsam kam Puccini mit seiner Arbeit voran und als dann 1915 Italien in den Krieg eintrat und Wien die Hauptstadt des Feindes wurde, war an eine dortige Aufführung nicht mehr zu denken. Im April 1916 war die Partitur dann bereit, wurde aber von Ricordi mit der Begründung abgelehnt, man wolle keinen „schlechten Léhar“ verlegen. So kam Ricordis Konkurrent Sonzogno zu Zuge. Die Premiere fand im März 1917 in Monte Carlo statt und wurde vom Publikum gefeiert. Doch dann wurde eine Pressekampagne gegen Puccini lanciert, welche ihm nahezu Landesverrat vorwarf.

Nach der Uraufführung in Monte Carlo wurde das Werk noch in Bologna und Rom erfolgreich aufgeführt, wo Beniamino Gigli als Ruggero eingesprungen war. Danach verschwand das Werk von den Spielplänen. Puccini mochte diese Oper sehr und war überzeugt, dass seine „Rondine“ auch in Zukunft wieder fliegen würde.

Opernhaus Zürich/LA RONDINE/E. Jaho, B. Bernheim/Foto @ Monika Rittershaus

Nun konnte das Opernhaus Zürich mit der Schweizerischen Erstaufführung dieses Werkes zur Saisoneröffnung einen großen Erfolg feiern. Ausser einer konzertanten Aufführung im Januar 1985 in Basel, war diese Oper hierzulande noch nie zu hören gewesen. Die Geschichte von Magda, einem Waisenkind, welches als junges Mädchen bei Ihrer Tante aufgewachsen war und für einen Abend das Vergnügen im Café Bullier, einem Tanzkokal, kennenlernen will, ist voller Emotionen. Damals lernte sie einen jungen Studenten kennen, in welchen Sie sich verliebt hatte, doch diese kurze Romanze fand ein schnelles Ende, als Magda ihr eigener Mut unheimlich wurde und sie den jungen Mann einfach stehen liess. Sie kann keinen eigenen Beruf erlernen und gerät in die Kreise der Kurtisanen. Sie verkauft ihre Schönheit und ist mit dem Bankier Rambaldo zusammen, welcher Ihr ein luxuriöses Leben ermöglicht.

Und hier beginnt auch die Oper. Im Salon des Bankiers treffen sich Freunde bei einem Nachmittagsempfang. Auch der Dichter Prunier ist gekommen. Er improvisiert eine Romanze über die standhafte Doretta, die sich nicht vom König und seinem Reichtum verführen liess. Mitten in seinem Vortrag bricht er ab und nun erfindet Magda spontan einen Schuss dieses Liedes. Ihre Emotionen überraschen die Anwesenden sehr, denn Magda ist sonst eher zurückhaltend.Die Romanze erinnert sie an die Episode damals mit dem jungen Studenten und diese erzählt Magda Ihren Freundinnen. Der Dichter Prunier, ein sehr von sich eingenommener junger Mann, liest Magda aus der Hand und sagt ihr voraus, dass ihr Leben wie das einer Schwalbe verlaufen werde, eine Reise zum Licht und zum Glück, mit einer Rückkehr in eine ungewisse Zukunft. Inzwischen ist Ruggero, der Sohn eines Geschäftsfreundes von Rambaldo, eingetroffen. Er ist ein junger, noch etwas schüchterner Mann, den die Freundinnen von Magda schnell umgarnen. Als Magda den Besucher beobachtet, steigen in ihr die Erinnerungen an das Erlebnis mit dem Studenten wieder auf. Da man seinen ersten Abend in Paris möglichst intensiv erleben muss, raten die Freundinnen zu einem Besuch in einem Lokal. Als Lisette, das Dienstmädchen, dann das Café Bullier vorschlägt, bricht die Gesellschaft auf. Magda möchte noch einmal den Moment von damals erleben und macht sich, verkleidet wie damals, auf den Weg zu Bullier.

Opernhaus Zürich/LA RONDINE/Ensemble/Foto @ Monika Rittershaus

Im Café herrscht schon reger Betrieb und Magda trifft auf Ruggero, welchen Sie ja erst gerade im Salon gesehen hat. Er erkennt Sie nicht und beide sind voneinander fasziniert. Als er sie nach dem Namen fragt, nennt Sie sich Paulette. Er erzählt von seinem Landleben. Man gibt sich seinen Gefühlen hin und erst als Magda entdeckt, dass Rambaldo sie beobachtet und es Prunier gelingt Ruggero abzulenken, kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Magda und ihrem Geldgeber Rambaldo. Sie entsagt voller Emotion dem weiteren Leben mit Rambaldo und verlässt ihn. Sie will mit Ruggero das Liebesglück erleben und alles nachholen, was sie versäumt hat. Vor Glück liegt sie in den Armen von Ruggero. In einem Hotel in Nizza leben die beiden Verliebten nun schon seit längerer Zeit und geben sich ihrer Liebe hin. Doch diese Idylle wird durch die aufgelaufenen Rechnungen immer ungemütlicher. Ruggero schreibt an seine Eltern und bittet um Unterstützung. Er gesteht Magda, dass er auch um die Erlaubnis gebeten habe, Magda zu heiraten. Magda verschweigt weiterhin, wie ihr früheres Leben verlaufen ist. Da erscheint Prunier mit Lisa, der er zu einer Karriere als Sängerin verhelfen will. Doch bereits an ihrem erste Abend wird sie ausgepfiffen. Danach will sie nur noch Ruhe haben. Prunier kommt mit der Botschaft, dass Rambaldo sie wieder zu sich nehmen will, denn auch er, Prunier hätte sich inzwischen mit Lisa arrangiert. Magda will aber nichts von diesem Vorschlag wissen und so zerbricht die Freundschaft mit Prunier. Lisa bleibt als Dienstmädchen bei Magda.

Überglücklich kommt Ruggero mit der Botschaft, dass seine Mutter der Heirat zustimmen wolle, wenn es sich um ein ehrsames Mädchen handeln würde. In einer hochemotionalen Szene gesteht Magda Ruggero, ihr früher geführtes Leben. Sie erklärt ihm, dass sie deshalb nie seine Ehefrau werden kann. Ruggero kann nicht begreifen, was ihm geschieht. Magda verlässt ihn und kehrt in ihr Leben im Luxus zurück. Wie damals, ist dieses kurze Glück wohl nur ein Traum gewesen.

Es ist Christof Loy gelungen, diese Geschichte äusserst feinfühlig zu inszenieren. Im Bühnenbild von Étienne Pluss und mit den Kostümen von Barbara Drosihn wird man umgehend in die mondäne Welt des Bankiers versetzt. Sei es im Salon, im lebhaften Café Bullier oder in der Villa in Nizza, Licht und Farben, sind hervorragend eingesetzt, um die jeweiligen Stimmungen zu untermalen. Wie in einem Film erlebt man die Regungen und Temperamente der einzelnen Partien. Auch die Choreografie von Thomas Wilhelm in der Café-Szene ist aufs schönste gelungen.

Opernhaus Zürich/LA RONDINE/Ermonela Jaho/Foto @ Monika Rittershaus

Mit der albanischen Sopranistin Ermonela Jaho ist dem Opernhaus Zürich eine Glanzbesetzung der Magda gelungen. Mit herrlicher Stimme und überragendem Spiel ist man vom ersten Augenblick an gefangen. Man staunt ob dieser Virtuosität und der Feinheit Ihres Vortrags. Das Publikum reagierte schon nach dem ersten Auftritt mit rauschendem Beifall. Wenn am Ende der Oper noch einmal Ihre Stimme aufleuchtet und man das ganze Schicksal Magda miterlebt hat, sind die Tränen sehr schnell zur Stelle. Hinreissend.

Benjamin Bernheim muss man dem Zürcher Publikum nicht mehr vorstellen, ist er doch dem Hause treu verbunden und nach seinem Romeo in der letzten Saison nun mit einer Partie im italienischen Fach wieder zu Gast. Mit seiner leuchtenden Stimme und seinem Spiel voller Hingabe, ist er der ideale Ruggero und so wird dieses Paar auf der Bühne zu einer Idealbesetzung welche keine Wünsche offen lässt.

Opernhaus Zürich/LA RONDINE/S. Hamaoui, J.F. Gatell/Foto @ Monika Rittershaus

Das zweite Paar des Abends ist mit dem Tenor Juan Francisco Gatell als Dichter Prunier und Sandra Hamaoui als Lisette, beide mit einem Rollendebut, ebenfalls überzeugend besetzt. Juan Francisco Gatell lässt die Selbstverliebheit dieses Dichters mit vielen Nuancen erklingen und Sandra Hamaoui ist äußert temperamentvoll und mit großer Stimme ebenfalls sehr präsent. Vladimir Stoyanov als Bankier Rambaldo, singt und spielt den reichen Sponsor von Magda mit großer Gelassenheit und lässt nur wenig Emotion erkennen, was dem Rollenbild sehr genau entspricht. Die drei Freundinnen von Magda werden von Yuliia Zasimova als Yvette/Georgette, Meeta Raval als Bianca/Gabriella und Siena Licht Miller als Suzy/Lolette herrlich gesungen und gespielt. Andrew Moore als Périchaud, Valeriy Murga als Butler, Stanislav Vorobyov als Crébillon, Nathan Haller als Gobin/Adolfo, Amin Ahangaran als Rabonnier, Annabelle Kern als Kellnerin und Yannick Bosc als Kellner, sowie acht Tänzer bildeten ein Ensemble, welches großartig harmonierte.

Der von Ernst Raffelsberger einstudierte Chor der Oper Zürich, welcher im zweiten Akt seinen großen Auftritt hat, wurde vom Publikum zu recht bejubelt. Mit Marco Armiliato am Dirigentenpult der Philharmonia Zürich kam man in den Genuss dieser herrlichen Musik. Armiliato dirigierte dieses Werk auswendig, was ihm ein spontanes reagieren ermöglicht. Die Philharmonia Zürich bot eine überragende Leistung.

Nach dem Besuch zwei dieser Aufführungen und den Reaktionen eines hingerissenen Publikums, welches mit lauten Bravos und nicht enden wollendem Applaus seiner Freude Ausdruck verlieh, dieses Werk entdeckt zu haben, kann man dem Opernhaus Zürich zu diesem Wurf nur gratulieren.

 

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
  • Opernhaus Zürich / Stückeseite
  • Titelfoto: Opernhaus Zürich/LA RONDINE/Ensemble/Foto @ Monika Rittershaus
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