BR-KLASSIK

Inhalt

Kritik – "Il Barbiere di Siviglia" in Salzburg Rossini beim Röntgen

Von Rossinis unverwüstlichem Komödien-Klassiker bleibt in der Regie von Gregor Bloéb nur noch ein Gerippe: Er seziert die Handlung und führt ihre Mechanik in wenig ansehnlichen Einzelteilen vor. Das überzeugte nicht alle Zuschauer, andere zeigten sich begeistert.

Barbier von Sevilla | Bildquelle: SLT / Tobias Witzgall

Bildquelle: SLT / Tobias Witzgall

Keine Ahnung, was passiert, wenn eine Oper in den Computertomographen geschoben wird, aber sie müsste dann ungefähr so aussehen wie dieser "Barbier von Sevilla" am Salzburger Landestheater. Ein Komödiengerippe war deutlich zu erkennen, hier und da lustige Stellen, auch Farbfelder, die eine ungewisse Bedeutung hatten. Aber die Weichteile von Rossinis Schwank blieben völlig ausgeblendet. Regisseur Gregor Bloéb wollte ihn wohl buchstäblich gegen das Licht halten, seine Struktur freilegen, vorführen, wie mechanisch so eine italienische Stegreifkomödie abschnurrt, ähnlich einer Spieldose.

Eine Inszenierung mit dem Charme eines leeren Kühlschranks

Das erweist sich als Problem. Denn wer die Künstlichkeit derart deutlich herausarbeitet, wer zeigt, wie Donner- und Windmaschine arbeiten, wer so sterile Kulissenteile auf die Bühne stellt, der lässt von den Emotionen nur noch vorhersehbare Schattenrisse übrig, macht alle Mitwirkenden zur Staffage. Es wirkte, also ob Gregor Bloéb dem "Barbier von Sevilla" nicht so recht traut, nicht hereinfallen will auf seine Klippklapp-Komik. Insofern war das Ergebnis äußerst zwiespältig: Einige Zuschauer verließen die Premiere zur Pause, viele applaudierten am Ende jedoch begeistert. Rossini ist demnach auch als Röntgenaufnahme noch überzeugend.

Barbier von Sevilla | Bildquelle: SLT / Tobias Witzgall Bildquelle: SLT / Tobias Witzgall Die Ausstatter Laura Malmberg und Paul Sturminger zitierten bekannte Kostümattribute der Commedia dell ‘Arte, etwa weiße Gesichtsmasken, ließen die Sänger aber in denkbar unvorteilhaften Outfits auftreten. Als ob die Kostüme ein paar Mal zu oft gewaschen wurden und an Form und Farbe eingebüßt haben. Wände aus weißer Gaze verstellen die Spielfläche, sind mal bunt beleuchtet, strahlen jedoch meist den Charme eines leeren Kühlschranks aus. Volle Absicht, natürlich, aber welche Botschaft Gregor Bloéb und sein Team damit verbanden, blieb offen. Überhaupt war irgendeine Interpretation nicht zu erkennen. Vielmehr ulkten sich die Solisten durch die Handlung, was mal mehr, mal weniger gelang. Die Lacher dünnten über die knapp drei Stunden hinweg zunehmend aus.

Tempo statt Anmut im Orchestergraben

Der neue Erste Kapellmeister des Salzburger Landestheaters, Carlo Benedetto Cimento, überfuhr mit dem Mozarteumorchester Salzburg glatt sämtliche Höchstgeschwindigkeitsschilder und ging hier und da mit quietschenden Reifen in die Kurven, was Rossini nicht weiter schadete, diesem Meister der Beschleunigung. Aber auch das Klangbild mutete eine Spur zu artifiziell und gewollt an, war alles andere als anmutig und ausgelassen. Unter den Solisten rockte George Humphreys in der Titelrolle mit seinem Groove den Saal und ließ erahnen, wie sehr er in einer lebenspralleren Inszenierung brilliert hätte. Theodore Brown als Graf Almaviva muss in dieser Komödie ja so viele Rollen spielen, dass der Eindruck aufkam, er habe irgendwann vergessen, wer er denn nun wirklich sei. Das verläpperte sich in Witzelei ohne Ziel. Katie Coventry als Rosina bewies Haltung, aber auch eine Distanz, die nahelegte, dass sie sich die Intrigen so weit als möglich vom Hals hielt und einfach nur an was Schönes dachte.

Insgesamt ein "Barbier von Sevilla" als klinische Bestandsaufnahme. Tatsächlich leidet die hier vorgeführte Gesellschaft ja in mehrfacher Hinsicht unter Wehwehchen, von denen die Geldgier, die Untertänigkeit und die Skrupellosigkeit noch die harmlosesten sind. Aber muss die Diagnose gleich so schmerzhaft sein?

Sendung: "Allegro" am 25. September ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Montag, 25.September, 06:35 Uhr

paul-ludwig voelzing

barbier

nur eine randbemerkung: weder bei beaumarchais noch bei rossini bzw sterbini ist der "barbier" eine commedia dell'arte. dass der rockende george h auch noch groovt, passt zur derzeitigen verwurstungsmanie. ich gehe wieder in die oper, wenn man da mal etwas "sortenrein" zu sehen (und hören) bekommt, auch gerne ohne höchstgeschwindigkeitsambitionen!

    AV-Player