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WIEN/ Staatsoper: IL BARBIERE DI SIVIGLIA

Staatsoper Wien      19.09.2023   „IL BARBIERE DI SIVIGLIA“

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Davide Luciano, Lawrence Brownlee. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

      Zum ersten Mal tat ich mir die neue „Nicht“-Inszenierung von  Herbert Fritsch    an – eine konzertante, „ausgespielte“ Wiedergabe in zugegebenermaßen für die heutige Zeit „schönen“, halbwegs „historisierenden“ Kostümen  ( Ausnahme Rosina, das gefällt mir gar nicht ) mit einem herumhüpfenden Kasperl ( Ambrogio, dem bewegungstechnisch enormes abverlangt wird, und der – für nichts! – eine diesbezüglich tolle Leistung erbringt: bravo  Sebastian Wendelin ) und ohne jegliche Versatzstücke:  keine Gitarre beim Ständchen, nicht einmal ein „biglietto“ gibt es: alle müssen pantomimisch agieren – offenbar erprobte „Activity“ Spieler- ich mag das sowieso nicht. Die Bühne leer – andauernd fahren schöne bunte Farbfetzen auf und ab, hin und her,  die schwindlig machen.

     Und dafür hat man die perfekte Rennert-Inszenierung weg geworfen – die werkdienlich, sängerfreundlich (hier ist das ganze Bühnenhaus offen, keine Kulissen , die den Ton reflektieren, unterstützen), und ideal für Einspringer gewesen ist : da hat man die Geschichte verstanden.

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Peter Kellner, Marco Filippo Romano. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

      Nun, man hatte diesmal das Glück, daß ein ungemein spielfreudiges, exzellentes Ensemble am Werke war, die sich untereinander auch blendend verstanden und die Pointen zuwarfen. Das, und der wunderbare Dirigent am Pult, Gianluca Capuano, endlich ein wahrer Maestro,  und die von ihm „mitgenommenen“ Damen und Herren des Orchesters hoben den Abend über das übliche Repertoireniveau deutlich hinaus! Großartig zog Davide Luciano als quicklebendiger Figaro mit viriler, voluminöser, immer perfekt sitzender Stimme und blendendem Ausdruck die Fäden der Handlung!  Endlich wieder ein stimmpotenter und gleichzeitig auch differenzierter Figaro – seit Bruno Pola habe ich keinen so überzeugenden Figaro mehr gehört! Eine Lehrstunde eines „tenore di grazia“ zog Lawrence Brownlee als Almaviva ab: da sitzt jede Koloratur, wird Rossinischer Tenorglanz vom Feinsten verbreitet. Sehr bedauerlich und absolut unverständlich, daß man ihn „Cessa  di piu resistere“ nicht singen ließ! Dritter im Bunde des außergewöhnlichen Kleeblatts war Marco Filippo Romano, der an diesem Abend als Bartolo sein Staatsoperndebut beging und sich sofort in die Herzen des Publkums sang und spielte. Ein Erzkomödiant der edlen Sorte, der ein Kabinettstückchen ablieferte, mit seinem kräftigen Baß fast unsingbare Koloraturen herunterschnatterte – dazwischen noch Zeit fand dem Dirigenten  ein köstliches „Maestro – zu schnell“ hinzuwerfen – und auch rein mimisch-gestisch Lachsalven hervorrief – ein sehr begrüßenswertes Engagement. Auch Peter Kellner entewickelt sich immer besser und gewinnt an Persönlichkeit – die baßgewaltige Stimme setzt der aus der Slowakei kommende Sänger gekonnt und effektvoll ein. 

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Kate Lindsey, Lawrence Brownlee. Fot: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Sehr bemüht  Kate Lindsey – ich hörte  sie zum ersten Mal live und wünsche ihr, daß es sich um eine mäßige Abendverfassung gehandelt hat. Sie war zwar sehr um Differenzierung und abwechslungsreiche Darstellung bemüht, vermied die üblichen „Rosinen-Klischees“ und gab der Figur immerhin eine persönliche Note, doch stimmlich war da zuwenig Durchschlagskraft, fehlte die Brillanz – sie ist sicher in anderen Partien besser aufgehoben. Eine brilliante Leistung hingegen bot die junge Finnin Jenni Hietala – ich kann mich nicht erinnern die Arie der Berta je mit derartiger Virtuosität und Gestaltung gehört zu haben (und ich war jahrzehntelang in unzähligen Barbieren in der Rennert – Inszenierung, abgesehen von „auswärtigen“ Abenden) !  Die am Haus feste junge Künstlerin nennt einen angenehm timbrierten, vollen Sopran ihr Eigen und scheint technisch schon sehr versiert – brava!   Auch Nikita Ivasechko als Fiorello startete den Abend mit den paar Herren des Chores durchaus positiv.

      Ein erfreulicher Abend  – vom Publikum lautstark goutiert!

Michael Tanzler

 

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