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SALZBURG/ Festspiele/Felsenreitschule: THE GREEK PASSION von Bohuslav Martinu

Salzburg/Festspiele: THE GREEK PASSION am 18. August 2023

Spannender Realitätsbezug

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Foto: Monika Rittershaus

Nachdem das diesjährige szenische Opernprogramm der Salzburger Festspiele – abgesehen von einem aus den Pfingstfestspielen von Christof Loy übernommenen „Orfeo ed Euridice“- herb enttäuschte, erreichte Simon Stone mit seiner Interpretation der „Greek Passion“ von Bohuslav Martinu einen durchschlagenden Erfolg in der dazu exzellent passenden Felsenreitschule.

Zu dürftig war die Neuinszenierung von „Le nozze di Figaro“ von Martin Kušej, dessen Nichtverlängerung am Wiener Burgtheater nun auch in einem künstlerisch verständlicheren Licht erscheint. Zu chaotisch und regietheatralisch überinszeniert war der „Falstaff“ in der Regie des wohl doch schon zu sehr in die Jahre gekommenen Christoph Marthaler und in einem wieder einmal recht sängerunfreundlichen, nahezu chaotisch wirkenden Bühnenbild von Anna Viebrock und ihren nicht ganz geschmacksicheren Kostümen. Und der ebenfalls regietheatralisch angelegte und zwar streckenweise überzeugende, ganz auf die in Salzburg gehypte Asmik Grigorian als Lady abstellende, insgesamt aber dennoch manche Erwartungen offen lassende „Macbeth“ in der Regie von Krzysztof Warlikowski, hielt auch nicht das, was er versprach. Man sollte diesen Regisseur nun vielleicht einmal in Salzburg pausieren lassen und anderen, ebenfalls, aber möglicherweise anders talentierten Kollegen den Vorrang geben.

Simon Stone hingegen traf mit einer sehr spartanischen, aber umso intensiver das Schicksal der von den Türken aus ihrem niedergebrannten Dorf vertriebenen Griechen fokussierend genau ins Schwarze eines dieser Tage vieles beherrschenden Themas, die internationalen Flüchtlingsbewegungen. Auf einer ganz in Hellgrau gehaltenen Bühne von Lizzie Clachan mit den bis auf deren dramaturgisch geschickt eingesetzte oberste Zeile abgedeckten Galerien der Felsenreitschule zeigt er den Clash, den das unerwartete Auftreten der Flüchtlinge, die eine neue Bleibe suchen (müssen) mit uns aus fast jeder Nachrichtensendung bekannten Bildern ihres Outfits mit den bunten Plastik-Taschen und den orangefarbenen Schwimmwesten (Kostüme Mel Page)…

Sie treffen auf eine Versammlung der Gemeinde des Dorfes von Priester Grigoris, der gerade die Rollen zu einer Neuauflage der „Passion Christi“ verteilt und damit die Aura höchster Frömmigkeit ausstrahlt. Angesichts der Flüchtlinge zeigt sich aber nun, dass es damit nicht weit her ist und diese „Bedrohung“ recht schnell alle christlichen Vorsätze über Bord gehen lässt.

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Foto: Monika Rittershaus

Gábor Betz verkörpert den Grigoris mit großer Autorität und eindrucksvollem Bassbariton ebenso wie Lukasz Goliński einnehmend das große Leid seiner Gemeinschaft hervorhebt. Die totale Ablehnung der Griechen wird durch auf dem Hintergrund groß aufgemalte Lettern „Refugees Out“ unterstrichen. Sebastian Kohlhepp ist ein intensiver Manolios als Jesus, der mit seinem wohlklingenden Tenor noch zu retten versucht, was zu retten sein könnte. Sara Jakubiak gibt ein kraftvolles Rollenportrait der Mitleid ausdrückenden Katerina. Charles Workman brilliert als Yannakos und Christina Gansch als zwischen Manolios und Nikolios hin und her geworfenen glücklose Lenio.

Man sollte vielleicht hervorheben, dass die hier von Martinu thematisierte Flüchtingsbewegung nicht mit jener der derzeit vor allem aus dem Maghreb und der Südsahara nach Europa kommenden überwiegend jungen Männer mit Wirtschaftsmotiven zu vergleichen ist, sondern vielmehr mit einer Fluchtbewegung, wie sie derzeit aus der Ukraine nach Westen stattfindet. Viel mehr noch erinnert die Oper aber daran, was das muslemische Volk der Rohingya in Myanmar besonders 2016-17 und ab August 2017 bis heute mit seiner erzwungenen und verzweifelten Flucht vor allem ins benachbarte Bangladesch, aber auch in andere Staaten Süd- und Südostasiens erlebte und wo es heute oft noch unter Verfolgung leidet.

Maxime Pascal führt die Wiener Philharmoniker engagiert durch das nicht gerade zum Mainstream gehörende Stück und zeichnet musikalisch die bisweilen schockierend dargebotene Problematik ebenso intensiv nach. Huw Rhys James studierte die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor ebenso wie Wolfgang Götz den Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor exzellent und emotional mitreißend ein.

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Foto: Monika Rittershaus

Ein starker und zu einem Thema Stellung beziehender Abend, in dem es nicht nur um Flüchtlinge geht, sondern sie auch als Metapher für die generelle Ablehnung des Ungewohnten und Anderen gesehen werden können. Und dazu kann sich wohl jeder seine eigenen Gedanken machen. Das alles in einer aus dem Stück und seiner Thematik heraus konzipierten Regie, die auch ganz ohne regietheatralische Überfrachtung auskommt und dennoch intensiv berührt – oder gerade deswegen…

Klaus Billand

 

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