Besonders häufig wird I Capuleti e i Montecchi – Vincenzo Bellinis Version des Romeo und Julia Stoffes – nicht gespielt, die Salzburger Festspiele setzten das Werk nun konzertant auf den Sommer-Spielplan und bewiesen damit ein goldenes Händchen, denn an diesem Abend stimmte angefangen beim Orchester einfach alles.

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I Capuleti e i Montecchi in der Felsenreitschule
© SF | Marco Borrelli

Mit spielerischer Akuratesse und viel Liebe zum Detail – etwa in Form von berückend schönen Flöten- oder Hornmomenten – brachte das Mozarteumorchester Salzburg die Partitur zum Glühen; dabei wurden die Musiker vom am Pult stehenden Marco Armiliato stets mit Euphorie und Verve zu straffen Tempi und sonniger Italianità angehalten, wobei auch der Kontrast zwischen Überschwang und Verinnerlichung schön herausgearbeitet wurde. Wie gewohnt achtete Armiliato stets mehr als nur umsichtig auf sein Sängerensemble, atmete mit ihnen mit und bot jedem auf der Bühne die nötige Unterstützung, um strahlen zu können. 

Die Aufgabe, die Handlung zu kommentieren und phasenweise auch voranzutreiben, erledigte der Philharmonia Chor Wien ganz ausgezeichnet, wobei insbesondere die in sich gekehrten, trauernden Momente besonders schön gelangen. Einen uneinsichtigen und grummeligen Capellio gab Michele Pertusi mit elegant geführtem Bass, während Roberto Tagliavini einen überschwänglich gutmütigen Lorenzo gestaltete und seine Stimme dabei warm schimmern ließ. Mit nobler Zurückhaltung, aber viel italienischem Schmelz und strahlenden Höhen sang Giovanni Sala den Tebaldo und wirkte dabei so ehrlich verliebt in Giulietta, dass er einem fast schon leid tun konnte.

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Aigul Akhmetshina
© SF | Marco Borrelli

Von einem Durchbruch oder einem A-Star-is-born-Moment zu sprechen, wäre angesichts der internationalen Erfolge, die Aigul Akhmetshina bereits feiern konnte, vermessen; eines der eindrucksvollsten Salzburg-Debuts der letzten Jahre – das vom Publikum sogar mit Standing Ovations gefeiert wurde – kann man der Mezzosopranistin aber in jedem Fall attestieren. Mit einnehmender Bühnenpräsenz gestaltete sie den Romeo und verlieh ihm sowohl jugendlichen Trotz als auch glaubhafte Verzweiflung. Die Stimme ist schlichtweg wunderschön, mit einem honigsatten Timbre, das sowohl in der Tiefe als auch bei den sich mühelos über das Orchester aufschwingenden Höhen farbenreich schimmert und völlig frei von Registerbrüchen ist. Akhmetshina setzte ihre vokalen Vorzüge dabei stets klug und differenziert ein, ließ ihre technischen Fähigkeiten nicht nur zu bloßer Effekthascherei strahlen, sondern nutzte sie stets, um all den Facetten des Charakters Ausdruck zu verleihen.

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Elsa Dreisig
© SF | Marco Borrelli

Nicht weniger beeindruckend gestaltete Elsa Dreisig an ihrer Seite die Giulietta. Mit verträumten Klangfarben verlieh sie der Figur mädchenhafte Frische; ihren fokussierten, silbrig glänzenden Sopran ließ sie entsprechend der widerstreitenden Gefühlswelten mal rosarot verliebt strahlen und mal grau verschattet für Melancholie sorgen. Dabei meisterte sie scheinbar mühelos alle Klippen der Partie – von scheinbar endlosen Legatobögen bis hin zu sanften Höhen im Piano. Und obwohl es sich um eine konzertante Aufführung handelte, gelang es ihr auch stets, den inneren Konflikt zwischen ihrer Liebe zu Romeo und der erwarteten Wahrung der Ehre der Familie nicht nur stimmlich, sondern auch in der Darstellung zum Ausdruck zu bringen, wodurch die Figur nicht bloß eine Schablone blieb, sondern zum Leben erwachte. 

Dass sich die Stimmen von Dreisig und Akhmetshina ideal ergänzten und zu einem beinahe ätherischen Klangbild verschmolzen, war gewissermaßen die Kirsche auf der Torte und trug dazu bei, dass man mit dem wohl bekanntesten Liebespaar der Literaturgeschichte in jeder Sekunde mitfieberte. Ergreifend gestalteten die beiden schließlich auch die gemeinsame Sterbeszene: ganz schnörkellos und ohne theatralisches Gehabe sanken sie gemeinsam am Notenpult nieder und erzielten genau durch diese Reduziertheit großen emotionalen Effekt. Und so sorgte in einem Festspielsommer, in dem einige der szenischen Opernproduktionen nicht unbedingt auf viel Gegenliebe des Publikums gestoßen sind, ausgerechnet eine konzertante Aufführung für den magischen Moment, in dem man sich nochmal völlig neu in diese Kunstform verliebt. 

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