Salzburger Festspiele: Figaro im Mafia-Bunker

Ein junges Paar bespricht die Einrichtung seiner Wohnung, konkret eine Dienstwohnung, ein Zimmer im Anwesen ihrer Arbeitgeber. Er ist zufrieden, sie wenig erfreut und erklärt ihm die Umstände, denen sie ihr neues Zuhause zu verdanken haben. Der Chef sei scharf auf sie. In der Tat: „Chef“ und „scharf“, diese Begriffe liest man nicht nur einmal in den adaptierten deutschen Übertiteln, wenn vom Grafen Almaviva die Rede ist. Regisseur Martin Kusej verlegt „Die Hochzeit des Figaro“ bei den Salzburger Festspielen in die Gegenwart.

von Le nozze di Figaro, Salzbuger Festspiele 2023 © Bild: SF/Matthias Horn

Das Schloss des Grafen ist eine Art Mafia-Hochburg, ein wenig gemütlicher Bunker. Bis auf die hell erleuchtete Bar, sind die Räume, kahl, eine Badewanne ausgenommen, gibt es keine Einrichtung. Immer wieder zückt irgendjemand eine Pistole. Schon in der zweiten Szene wird ein Mann erschossen, wer und warum wird nicht geklärt. Eine Wasserleiche gibt es auch zu sehen, eine Jagdgesellschaft mit undefinierbaren, blutigen Tieren - oder sind es gar Menschen ? - geschultert, zieht am Ende durch eine verwilderte Wiese. In einer Szene nehmen junge Darstellerinnen hinter Glasscheiben Aufstellung und bewerfen Almaviva mit blutigen Kleidern. Was der noch eine Spielzeit amtierende Burgtheaterdirektor mit seiner Sicht auf diese Mozart-Oper sagen will, erschließt seine Inszenierung nicht.

Le nozze di Figaro, Salzbuger Festspiele 2023
© SF/Matthias Horn Andrè Schuen (Il Conte di Almaviva) und Adriana González (La Contessa di Almaviva)

Aus dem Ensemble sticht Andrè Schuen darstellerisch und mit vokalem Ausdruck hervor. Sein sehr gut geführter Bariton klingt in allen Lagen ausgezeichnet, sein Timbre gefällt. Dass er sich von einer fast zur Gänze entblößten Statistin während des „Hai già vinta la causa“ ankleiden lassen muss, ist ein Beispiel für die eindimensionale Sichtweise auf das Werk. Krzysztof Bączyk zeigt den Figaro mit einem Übermaß an Gelassenheit, etwas mehr Ausdruck wäre kein Schaden, sein stimmliches Potential demonstriert Ausbaufähigkeit. Sabine Devieilhe besticht mit ihrer schlanken, schönen Sopranstimme, mühelos erreicht sie die Höhen. Ihre „Rosenarie“ berührt. Adriana González zeigt eine resolute, desperate Gräfin. Das „Porgi amor“ intoniert sie wie eine Klage vor Courbets weiblichen Akt, „Ursprung der Welt“, während eine Statistin in der Badewanne ihren entblößten Rücken zeigt, das „Dove son“ singt González händeringend mit einer Überdosis Dramatik. Lea Desandre ist ein quirliger Cherubino. Über Kristina Hammarströms Marcellina lässt sich diskutieren. Serafina Starke ergänzt achtbar als Barbarina. Manuel Günther zeigt als Basilio ein gewisses Format, Peter Kálmán ist ein solider Bartolo.

Le nozze di Figaro, Salzbuger Festspiele 2023
© SF/Matthias Horn Adriana González (La Contessa di Almaviva), Sabine Devieilhe (Susanna), Lea Desandre (Cherubino)

Programm Salzburger Festspiele:
Alle Informationen zum abwechslungsreichen Spielplan sowie zu verfügbaren Karten finden sie auf der Website: www.salzburgerfestspiele.at

Mit seinem Originalklang-Ensemble Pygmalion hatte sich Raphaël Pichon bei der von Romeo Castellucci inszenierten Aufführung des Mozart-Requiems in Wien als einer der interessantesten der jungen Maestri präsentiert. Auch seine Mozart-Matineen in Salzburg in den vergangenen Jahren klangen mehr als vielsprechend. Am Pult der Wiener Philharmoniker zeigt er Gestaltungswillen, man hört jedoch deutlich, dass da zwei Welten aufeinanderprallen, die nicht harmonieren, der sonst goldene Wiener Klang und die schroffe Sicht auf das Werk des Dirigenten. Von einem Sounddesigner angefertigte Geräusche zwischen den Akten und eine ins Jazzige gehende Improvisation am Hammerklavier sind mehr als entbehrlich. Freundlicher Applaus und einige Buhs für den Regisseur.