"Carmen" überlebt am Filmset bei der wegen Schlechtwetter abgebrochenen Oper in St. Margarethen

Xl_carmen-st_margarethen-7-23 © Jerzy Bin

„Action – Cut“: Ein Regisseur, der ständig lautstark vor jeder Szene diese Kommandos und auch sonst fuchtelnd Anweisungen gibt. Ein stets anwesendes, großes Filmteam, viele auch fahrende Kameras, Scheinwerfer, Mikros, von hinten zu sehende Kulissen, die nur für die jeweilige Szene umgedreht werden: Wir sind im Hollywood der 1950er Jahre und man dreht einen Film über Georges Bizets „Carmen“. Das ist die Konzeption von Arnaud Bernard für die heurige Oper im Steinbruch St. Margarethen im Burgenland. Eine Konzeption, die allerdings nicht neu und sehr beliebig ist, weil für jedes Bühnenwerk anwendbar. Und vor allem: Sie lenkt ab und stört manchmal regelrecht. Durch wiederholte laute Rufe „Action-Cut“ mitten in die Musik, durch das ständige Herumschwirren der Filmleute und durch Unterbrechungen der Handlung. Zudem baut der französische Regisseur noch eine zweite Zeitebene ein. Er lässt das populäre Meisterwerk im auf der Bühne gedrehten Film im spanischen Bürgerkrieg um 1930 in Kostümen dieser Zeit (Carla Ricotti) spielen. Da wird bereits schon bei der Ouvertüre wild herumgeschossen, Explosionen mit viel eingesetzter Pyrotechnik werden simuliert, es gibt immer wieder wilde Stuntszenen. Und es werden auf der Riesenbühne Nebenhandlungen erfunden. So sieht man beim wunderbaren Duett von Michaela und Don José des ersten Aktes in dessen schäbigen Unterkunft ganz rechts, auf der linken Seite die gewaltsame Befreiung eines Gefangenen. Apropos Gewalt, diese wird recht drastisch stets bei den vielen auch sonst aktionsreichen Massenszenen gezeigt, die von Statisten dargestellt werden, denn der meist homogen singende Philharmonia Chor Wien (Einstudierung: Walter Zeh) singt aus dem Off. Die hauptsächlich von hinten zu sehenden und auch bespielbaren sechs nüchternen Kulissenteile von Alessandro Camera im Römersteinbruch sind nicht von besonderer Ästhetik.

Bis zur Pause hatte der Wettergott noch ein Einsehen aber bald danach begann es zu schütten und zu heftig winden, sodass Intendant Daniel Serafin nach einiger Wartezeit die Premiere auf Grund der widrigen Wetterverhältnisse abbrechen musste und so gelang es Carmen, diesmal zu überleben.

Bis dahin singt Joyce El-Khoury mit dunklem, sattem Mezzo die Titelheldin und versprüht Erotik und Temperament. Brian Michael Moore ist ein ziemlich rau agierender Don José, der die Partie teils zu schmachtend aber mit mühelosen Höhen gestaltet. Der Escamillo des Vittorio Prato fällt wegen seinem schöngefärbten Stimmorgan auf. Bei der unvorteilhaft bekleideten Vanessa Vasquez als Micaela hätte man sich mehr Innigkeit gewünscht. Stimmgewaltig und präsent ist Mikolaj Bonkowski als Zuniga zur hören. Die kleineren Rollen fallen bis auf Kleinigkeiten durchaus positiv auf.

Valerio Galli am Pult des Piedra Festival Orchesters koordiniert routiniert und geschickt und ist fast immer mit der Bühne synchron. Es wird durchaus Feuer und Leidenschaft versprüht.

Zu Beginn konnte Intendant Daniel Serafin als künstlerischer Leiter wieder viel Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kunst begrüßen.

Für nächstes Jahr wird Verdis „Aida“ angekündigt.

Dr. Helmut Christian Mayer

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