Musiktheater als Installation: Anna Bergmann inszeniert Oscar Strasnoys „Robinson“ an der Staatsoper Unter den Linden.

Im Alten Orchesterprobensaal der Staatsoper Unter den Linden findet die Uraufführung einer Kammeroper statt: „Robinson“, komponiert vom argentinisch-französischen Komponisten Oscar Strasnoy, getextet von der Hamburger Schriftstellerin Sigrid Behrens. Das Setting verspricht Ungewöhnliches: An einer Seite des Raums ist ein Sammelsurium kleiner Schlaginstrumente aufgebaut, gerahmt von zwei Konzertflügeln – allesamt selbstspielende Instrumente. Die Spielenden sitzen fast unsichtbar in einer Ecke des Raums mit digitalen Fernbedienungen. Eine oft perkussive, aber erstaunlich wenig maschinell wirkende, nicht selten angenehm feine und dezente Musik erklingt.

„Robinson“ an der Staatsoper: Gefangen im Meer der Zeichen

Das Publikum indes darf sich ohne sichtbare Musizierende gleich mal ein bisschen einsam fühlen – so einsam wie der Robinson Crusoe des alten Daniel Defoe.

Auch wir fühlten uns in der Corona-Zeit in einem Meer digitaler Zeichen gefangen – ohne Kontakt zur Außenwelt. So weit, so oberflächlich geht die Analogie von Robinson und Pandemie auf.

Tatsächlich gleicht dieses Musiktheater einer Installation. Mit Hilfe von figürlichen Allegorien wird der Corona-Gedanke durchexerziert. Das Publikum sitzt auf einer Insel – einer sich drehenden Scheibe in der Mitte der Bühne. Es blickt auf fünf mit Gazé-Vorhängen umgrenzten Kabinen. In ihnen sitzen Protagonisten, deren Randgruppen-Dasein in der Pandemie sicherlich oder auch nur vielleicht besonders deutlich wurde: eine alte Frau, ein Jugendlicher, eine Transperson, ein Obdachloser.

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Fredrika Brillembourg (Das Alter), Friederike Harmsen (Die Vermittlung), Johan Krogius (Der aus der Welt gefallene).
Fredrika Brillembourg (Das Alter), Friederike Harmsen (Die Vermittlung), Johan Krogius (Der aus der Welt gefallene). © Gianmarco Bresadola | Gianmarco Bresadola

„Die Zukunft“, eine Suizidgefährdete mit Maschinenpistole, gehört für das Künstlerteam ebenfalls zu dieser Gruppe: etwas, das während der Pandemie ebenfalls existenziell auf dem Spiel stand. „Die Zukunft“ gehört begrifflich einer völlig anderen Kategorie an als real existierende gesellschaftliche Gruppen – so könnte man hier einwenden. Anhand dieser Stichprobe auf Gültigkeit wird merklich, dass das auf Analogien beruhende künstlerische Konzept dieses Abends gedanklich hinkt – an etlichen Stellen.

„Robinson“ an der Staatsoper: Soll man das alles reizvoll rätselhaft finden?

Die entscheidende: Das Ganze ist ungeachtet sinnlicher Gesangsmelismen ziemlich textlastig und gedankenschwer, das Libretto von Behrens verrätselt. Das würde in Ordnung gehen – wenn textlich verstehbar würde, was die Solistinnen und Solisten einschließlich des durch den Raum schlurfenden Basses Stephan Klemm als Corona-Robinson mit bekleckertem Unterhemd da mit ihren tollen Stimmen singen.

Man verlässt das Zimmer mit kaum mehr aufgenommenen Informationen als denen, die in dem Raum- und Klangkonzept von Regisseurin Anna Bergmann und Bühnenbildner Lugh Amber Wittig schon angelegt waren. Soll man das alles nur betörend sinnlich und reizvoll rätselhaft finden? Oder darf man als Publikum auch gedankliche Präzision und Deutlichkeit verlangen? Wer das als Berliner Kulturschaffender einlöst, könnte sich wenigstens jenseits von Corona vielleicht etwas weniger als unverstandener Inselbewohner fühlen.

Staatsoper, Unter den Linden 7, Mitte. Tel.: 20 35 4 240. Termine: 27.2. (19 Uhr), 1.3. (11 Uhr) und weitere. Information: staatsoper-berlin.de.