Szenenbild aus „Madame Butterfly“
Bregenzer Festspiele/Anja Köhler
„Madame Butterfly“

Ein Schmetterling stirbt bei Regen

Blitze über dem Bodensee haben schon so manche Aufführung der Bregenzer Festspiele als zusätzliche Effekte bereichert – bei der Premiere von Giacomo Puccinis „Madame Butterfly“ am Mittwochabend haben die starken Unwetter für ein frühes Aus gesorgt. Nach 59 Minuten wurde das Leiden der jungen Geisha ins Festspielhaus verlegt, und die XXL-Vergrößerung des Kammerspiels ging halbszenisch zu Ende.

Andreas Homoki, der mit seinem Team auf einen Auftritt beim Schlussapplaus verzichtete, traute sich einen Spagat zu: die Intimität des Werks auf die großen Seebühne zu bringen, die sich im Laufe der Festspielgeschichte längst als Hauptdarstellerin des Festivals etabliert hat.

Freilich: Nicht nur auf den ersten Blick ist die Bühne wesentlich reduzierter, als es zuletzt der „Rigoletto“-Kopf (2019/2021) oder die Kartenhände bei „Carmen“ (2017/2018) waren. Auch wenn an diesem Premierenabend nicht alles gezeigt werden konnte – die Geschichte der jungen Japanerin Cio-Cio-San, genannt Butterfly, die durch die Heirat mit dem US-Leutnant B. F. Pinkerton auf ein neues Leben hofft, wird mit wenigen Bühneneffekten erzählt.

Fotostrecke mit 5 Bildern

Szenenbild aus „Madame Butterfly“
Bregenzer Festspiele/Karl Forster
US-Fahne in japanischer Tuschezeichnung: Symbolik auf der großen Seebühne
Szenenbild aus „Madame Butterfly“
Bregenzer Festspiele/Karl Forster
Madame Butterfly glaubt bis zum bitteren Ende an die Rückkehr Pinkertons
Szenenbild aus „Madame Butterfly“
Bregenzer Festspiele/Anja Köhler
Geisha-Schirme und Blüten unterstreichen die japanische Welt Cio-Cio-Sans
Szenenbild aus „Madame Butterfly“
Bregenzer Festspiele/Anja Köhler
Das Spiel mit Licht und Schatten schafft unterschiedliche Räume auf der großen Seebühne
Szenenbild aus „Madame Butterfly“
Bregenzer Festspiele/Karl Forster
Statisterie, Stuntleute und Tänzerinnen ergänzen die Solisten auf der Bühne

Serpentinen auf Büttenpapier

Eine riesige japanische Tuschezeichnung auf gewelltem Papier ragt nun zwei Jahre für „Madame Butterfly“ aus dem See, vom kanadischen Bühnenbildner Michael Levine als Spiegelbild für Cio-Cio-Sans Seele erdacht: empfindlich, zerknüllt und weggeworfen. Darauf schlängelt sich die Spielfläche in Serpentinen hinunter, auf der die Sängerinnen und Sänger letztlich einiges an Wegen und Höhenmetern zurücklegen, um der gewaltige Bühne trotz einer im Libretto wenig dynamisch vorgegebenen Handlung gerecht zu werden.

Hinweis

„Madame Butterfly“ ist noch bis 21. August auf der Seebühne in Bregenz zu sehen. ORF2 überträgt die Produktion am Freitag live-zeitversetzt um 21.20 Uhr.

Als Symbol für den sexistischen und kolonialistischen Pinkerton bohrt sich ein 27 Meter hoher Fahnenmast durch das Papier, auf dem eine sechs mal drei Meter große US-Flagge weht. Statt auf mechanische Verwandlungen setzen Homoki und Levine auf Veränderungen durch Lichtstimmungen, Farbgebungen und den Einsatz von überdimensionalen Videoprojektionen. Die zwei Welten, die in „Madame Butterfly“ aufeinanderprallen, werden durch die Kostüme von Antony McDonald verdeutlicht – mit Geisha-Schirmen, Kimonos und Stäbchenfrisuren auf der einen Seite, Kapitänsuniform und Petticoat auf der anderen.

Cio-Cio-San, die Homoki weniger als Missbrauchsopfer denn als junge Frau mit emanzipatorischer Haltung deutet, wird immer wieder von vorwurfsvollen Ahnen besucht – einer Horde gespenstisch weißer Geisterstatisten, die teils mit der Bühnenfläche zu verschmelzen scheinen. Ihr fluchender Onkel Bonze füllt dafür videoanimiert gleich die halbe Bühne aus.

„Madame Butterfly“ bei den Bregenzer Festspielen

Auf der Seebühne ist einer der größten Hits der Operngeschichte überhaupt zu erleben: Giacomo Puccinis „Madame Butterfly“.

Mit und ohne Verstärkung

Angesichts des Wetterpechs wurde einmal mehr deutlich, welche Höchstleistungen von den Solistinnen und Solisten bei den Bregenzer Festspielen erwartet werden. Die Premierenbesetzung überzeugte trotzdem sowohl mit der ausgekügelten Mikrofonanlage auf dem See als auch ohne Verstärkung im Festspielhaus.

Allen voran verkörpert Barno Ismatullaeva eine fanatisch an ihr imaginäres neues Leben glaubende Cio-Cio-San, stimmlich intensiv und sanft je nach Anforderung im Wechsel, Edgaras Montvidas singt den treulosen Pinkerton mit schöner Klangfarbe. Als Sharpless steht ihm sehr solide Bariton Brian Mulligan zur Seite, während Annalisa Stroppa als Suzuki um nichts weniger stark die Vertraute Butterflys gibt.

Das Regenszenario

Muss eine Vorstellung abgebrochen werden, wird sie im Festspielhaus für rund 1.600 Zuschauerinnen und Zuschauer mit Karten der Kategorie eins und zwei fortgesetzt. Das Publikum der anderen Kategorien erhält den Kartenwert rückerstattet bzw. kann die Karten umtauschen, sofern weniger als 60 Minuten gespielt wurden.

Das Orchester auf der Bühne

Am Pult der Wiener Symphoniker steht heuer wie schon bei „Rigoletto“ der spanisch-italienische Dirigent Enrique Mazzola. Während er mit dem Orchester bei Aufführungen auf dem See aus dem Festpielhaus zugeschaltet wird und nur per Seitenmonitore für das Publikum sichtbar ist, durfte man (ein kleiner Trost) die Musiker nach der Verlegung ins Innere nicht nur akustisch auch einmal live erleben.

Ihr Puccini klingt geradeheraus, nicht übertrieben sentimental und mit offenkundiger Freude an den Exotismen, die der Komponist durch die Verwendung japanischer Melodien in „Madame Butterfly“ einflocht.

Kein Fazit, nur Wünsche

Trotz aller Eindrücke: Ein Fazit zu einer Inszenierung nach nur einer Halbzeit könnte wohl nie dem großen Ganzen entsprechen. Deshalb sei an dieser Stelle stattdessen dem Festival, allen Mitwirkenden und dem Publikum der kommenden Vorstellungen eindeutig besseres Wetter vergönnt. Die nächste Vorstellung am Freitag wird in ORF2 live-zeitversetzt um 21.20 Uhr gezeigt – auf jeden Fall in voller Länge, für den meteorologischen Ernstfall wurde bereits die Generalprobe aufgezeichnet.