Gelungene Fortsetzung der neuen Ringinszenierung in Erl

Xl_87d87a18-6abf-4e6d-8457-2e4ba3b6c8cb © Xionara Bender

Richard Wagner Die Walküre Tiroler Festspiele Premiere am 9.7.2022 

Gelungene Fortsetzung der neuen RInginszenierung in Erl

„Aktion aus Inaktivtät holen“ beschreibt Brigitte Fassbaender ihre Aufgabe „und die Musik mit Handlungen und Emotionen füllen. „ als Regisseurin der Neuinszenierung von Richard Wagners Walküre, dem ersten Abend der Trilogie Der Ring des Nibelung und der zweiten Arbeit der vielbeschäftigten Grande Dame der deutschen Oper im Rahmen ihrer Schöpfung eines neuen Ringzykluses für die Tiroler Festspiele, die ja gerne den Vergleich mit dem grünen Hügel suchen.

Der Zuschauer spürt ihren Ansatz und ihre Bühnenerfahrung in der Umsetzung. Von Beginn wird darauf geachtet, dass im Rahmen der zahlreichen Monologe durch Gesten und auch zusätzliche Mitwirkende Lockerung und Fluss herscht. Das Bühnbild ist wie bereits im Rheingold durch großflächige wirkungsvolle aber unaufdringliche Videoinstallationen ersetzt. Im ersten Akt sind dies die Wandtapete von Hundings Hütte, die vom Lenz mit Laubwald abgelöst wird. Tisch, Fernseher und eine gemütliche in die Jahre gekommene Sitzecke gehören zum Inventar, wie ein Waschbecken. Dort erhält Siegmund ausgiebig Labung und ein paar Tropfen Rotwein sind auch dabei. Hunding gesellt sich mit zwei Mitstreitern zu einer zünftigen Jause dazu. Am Ende des ersten Akt ertappt er das muntere Geschwisterpaar auf frischer Tat. Mit Schwert und den schnell gerafften Kleidern fliehen die Beiden.

Wotan sitzt bescheiden im mittelblauen Anzug am Küchentisch von einem mächtigen Steinbruch umgeben. Fricka mit Handtasche und Handschuhen erscheint recht bieder, kann aber Zähne zeigen. Aufgeschreckt werden alle im Saal, wenn sich Wotan in seinem großen Leid artistisch umfallen lässt, zum Glück gut einstudiert. Auch in der Todesverkündigung wird mit Gefühlen und Liebe- wie auch verständnisvollen Gesten kommuniziert. Wild türmen sich die Wolken auf dem Walkürenfelsen, wild auch die dort herrschenden Damen. Die gefallenen Helden werden hereingetragen und lustvoll gewaschen und scheints zum Leben erweckt, wenn die nackten Jünglinge dann von der Bühne marschieren und auch ein paar innige Umarmungen mit den Walküren gehören dazu.

Am Ende kommt auch Loge im bekannten knallgelben Anzug vorbei und kümmert sich persönlich um den Feuerzauber. Brigitte Fassbaender gestaltet einen spannenden harmonisch fliessenden Abend, ganz dem Text verhaftet ohne provokante Deutung. Sachkundig geht sie auf die gestalterischen Möglichkeiten und Veranlagungen auch der Sänger ein.

Simon Bailey füllt Wotan, die zentrale Figur des Abends, wirkungsvoll aus. Es ist dies sein Rollendebüt und er hat sich bestens insbesondere in der Wortdeutlichkeit vorbereitet. Er lebt den leidenden Vater, der im Konflikt seiner Verträge und Macht seine geliebten Kinder opfern muss. Empfindsam geht er mit seiner Stimme auf die Gefühlsschwankungen ein. Ausreichend mit Kraftreserven versorgt bleibt sein Gesang frisch und präzise. Weiters überzeugt das Geschwisterpaar. Für Irina Simmes ist es ebenfalls ein eindrucksvoll gelungenes Rollendebüt als Sieglinde. Kraftvoll und wohl timbriert ist ihr Sopran der durchgehend lyrisch jugendlich erscheint. Mit ihrer ansprechenden Bühnenpräsenz wird sie zu einer Idealbesetzung. Clay Hill hat sich als Heldentenor bereits einen internationalen Ruf aufgebaut. Seine Stimme muss sich warmlaufen aber rechtzeitig zu den Winterstürmen wirkt sie frei und fliessend, auch Vokale beginnen zu schimmern und Lyrik in den gedehnten Melodiebögen kommt hervor. In seiner Körperfülle kann er darstellerisch nicht überzeugen. Da konkurriert er mit Hunding, der von Anthony Robin Schneider prägnant und männlich ausgeführt wird, unterstützt von einem vollen dunkel schimmerenden Bass. Christiane Libors Walkürenrufe versprechen zu Beginn des zweiten Aktes viel, ihre Stimme wird immer mehr metallener und trocken. Im Liebesduett mit ihrem Vater strahlt sie zu wenig Wärme und Gefühl aus, ist aber sicher in ihrer Intonation. Claire Barnett-Jones verkörpert eine feine unnachgiebige Fricka, die kaum die Fassung verliert. Schön gesungen bleibt ihr Ausdruck mit der notwendigen Giftigkeit im Raum.

Erik Nielsen ist vor kurzem zum musikalischen Leiter der Tiroler Festspiele ernannt worden und dirigiert nach Rheingold nun auch die diesjährigen Aufführungen von Walküre. Das Orchester türmt sich hinter der Bühne auf, durch einen spärlich angeleuchteten Vorhang verdeckt. Diese Positionierung ist herausfordernd und entsprechend gewöhnungsbedürftig. Der Amerikaner führt das Orchester weitgehend sicher und verbindet den Klangkörper ausgeglichen mit dem Bühnengeschehen. Es fehlt an Pointierung, üppigen romantischen raumfüllenden Klangergüssen sowie prägnanter Ausleuchtung des Geschehens.  

Viel Applaus und große Begeisterung im nahezu ausverkauften Haus. Erl sendet wieder kräftige Zeichen nach Bayreuth. Dort warten wir enenso auf einen neuen Ring.

Dr. Helmut Pitsch

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