Philipp Stölzl inszeniert Puccinis „Turandot“ an der Staatsoper um eine riesige Marionette herum. Er erhält bei der Premiere auch Buhs.

Der junge Calaf kommt in die Kaiserstadt Peking und beschließt, sich auf das tödliche Ratespiel zur Erringung von Prinzessin Turandot einzulassen. Allerdings himmelt der Prinz fasst die ganze Zeit eine Riesenpuppe und keine reale Frau an. Man weiß nicht genau, ob Calaf eher ein Stalker oder ein Fetischist, der später liebevoll die langen Holzbeine der zerlegten Puppe streichelt, ist. Mit Amore hat Puccinis Oper „Turandot“, die am Sonnabend in der Staatsoper bejubelt wurde, sowieso wenig zu tun. Es ist eine überwältigende Opernproduktion, auch wenn Regisseur Philipp Stölzl bei der Premiere einige Buhs einstecken musste.

Der Regisseur ist sein eigener Bühnenbildner. Seinen gigantischen, viel fotografierten Clownskopf bei Verdis „Rigoletto“ auf der Bregenzer Seebühne werden einige vor Augen haben. Die Turandot ist wieder so ein Hingucker-Bauprojekt. Das Team, das die große Marionettenpuppe über rund zwei Stunden hinweg bedient, bekommt am Ende einen Extraapplaus. Die alles dominierende Marionette schränkt allerdings den Spielraum für den großen Chor und die Solisten etwas ein. Es wird also viel an der Rampe gesungen.

Drei Rätsel sind zu lösen. Wer versagt, wird hingerichtet

Der Hauptkonflikt der Handlung ist schnell erzählt: Jeder Prinz, der Turandot heiraten will, muss drei Rätsel lösen. Wer versagt, wird hingerichtet. Das Massakrieren wird in Stölzls Regie ausgiebig vorgeführt. Später sieht man, dass Turandot auf einem Schädel-Hügel thront. Das Kaiserreich ist eine Art Diktatur der Zukunft mit dem Marionetten-Mythos der Turandot und roboterhaften und manipulierten Untergebenen. Die Bühne ist voller verdrehter Geister. Ein bisschen Psychologie will der Regisseur schon vermitteln.

Calaf löst die Rätsel, und die schöne Turandot-Puppe entblößt sich Stück für Stück. Die Prinzessin ist eine Frau ohne Unterleib und mit Totenschädel unter Maske und Perücke. Erst nach einer Stunde beginnt die in der Familie schwer traumatisierte, mörderische Prinzessin in der Oper zu singen. Die dramatische Sopranistin Elena Pankratova verleiht der Turandot eine Eiseskälte. Sie ist grandios. Aber man fragt sich schon, welche wärmenden Momente die russische Soprandiva Anna Netrebko, die ursprünglich die Titelrolle singen sollte, darüber hinaus eingebracht hätte. Zumal sich Turandot am Ende vergiftet, ein Happy-End der Liebe konnte der Regisseur in der von Puccini unvollendeten Partitur nicht entdecken.

Während Calaf die Liebe besingt wird ein anderer massakriert

Netrebkos Ehemann Yusif Eyvazov ist als Tenor der Produktion erhalten geblieben. Applaus auf offener Bühne erhält der aserbaidschanische Sänger zu Beginn des dritten Akts für seine Arie „Nessun dorma“. Es ist der berühmte Schmachtfetzen aus „Turandot“. Eyvazov ist ein stilsicherer Heldentenor mit dunklem Timbre. Das Dunkle wird vielleicht nicht jeder mögen, aber es passt zur Regie. Während Calaf Liebe und Hoffnung besingt, wird parallel ein weiteres Opfer massakriert.

Mit selbstbewusster Sopransüße opfert sich die von Aida Garifulina verkörperte Dienerin Liu für Calaf. René Pape verleiht dem alten Timur ein königliches Format. In ihrer Leichtigkeit bestens besetzt sind Ping, Pang und Pong mit Gyula Orendt, Andrés Moreno Garcia und Siyabonga Maqungo. Der 82-jährige Siegfried Jerusalem sollte auf seine Rolle als chinesischer Kaiser besser verzichten. Bejubelt sah sich der 86-jährige Dirigent Zubin Mehta, der am Pult der Staatskapelle das klanglich Monumentale der Oper betonte.

Staatsoper Unter den Linden, Mitte. Termine: 22., 25., 29. Juni und 1., 3., 8., 10. Juli