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Grosse Erwartungen enttäuscht

Mit zwei «W»s wurde man nach der Zürcher «Rheingold»-Premiere in die Nacht entlassen: Was war denn das, wie wird das werden? Ein zwiespältiger Beginn von Regisseur Andreas Homoki und Dirigent Gianandrea Noseda mit Wagners «Ring»-Tetralogie.

Wagner ist «in», überall versuchen sich die kleinen und grossen Opernhäuser an dessen 18-Stunden-Epos «Der Ring des Nibelungen», ob in Berlin, oder Leipzig, in Düsseldorf oder Wien oder gar im kleinen Coburg. So, als existierten keine Probleme mit der Besetzung der Gesangspartien. Nun also auch Zürich, ein eher kleines Haus mit grosser Ambition und Renommée und einer besonderen Beziehung zu Wagner, hat er doch just in der Limmatstadt den «Ring» konzipiert und bis zum zweiten Akt des «Siegfried» komponiert. Neues hat man sich erhofft, Neues kam nicht, muss es auch nicht – aber so?

Unablässig sich drehendes Karussell

Wenn sich der Vorhang hebt, befinden wir uns in einem grossbürgerlichen Haus in drei, die Drehbühne unterteilenden identischen Einheiten, in denen sich, als fast unablässig sich drehendes Karussell, während der zweieinhalb Stunden das Geschehen munter im Kreis dreht. Als Ausstatter zeichnet Christian Schmidt, und man fühlt sich sogleich an dessen Zürcher «Tristan» in der Villa Wesendonck erinnert. Wotan erscheint im langen seidenen Morgenmantel mit Pelzkragen, Fricka im strengen, grünen Biedermeierkleid, Donner und Froh als Schläger schwingende Cricket-Spieler.

Szenenbild mit Gemälde à la Caspar Wolf. Donner und Froh (Jordan Shanahan, Omer Kobiljak), Freia (Kiandra Howarth), Fricka (Patriia Bardon), Wotan (Tomasz Konieczny) (v.l.) und Fasolt und Fafner (David Soar, Oleg Davydov) (oben auf dem Bild). Alle Fotos Opernhaus Zürich/ Monika Rittershaus)

Zeit und Ort sind damit unmissverständlich manifest. Dem gegenüber erscheinen die beiden Riesen Fafner und Fasolt als aus der Zeit gefallene «Älpler» mit Federbusch-Hut, welche eine nur in einem Gemälde à la Caspar Wolf sichtbare mittelalterliche Burg für Wotan gebaut haben. Schmidt bietet ein Ambiente, in dem mit präziser Personenführung inszeniert werden kann – eine der Stärken dieses Abends. Er wirkt aber zuweilen auch eintönig, die verschiedenen Handlungsorte sind optisch kaum abgesetzt. Vor allem Nibelheim, angedeutet mit umgedrehtem Polstersessel und rauchgeschwärztem Kasten, wirkt wie eine Notlösung.

Viel Kraft, wenig Magie

Homoki gelingen dafür einige individuelle Figurenporträts, klug in die Musik integriert, von dieser – theoretisch – getragen. Und hier beginnt das «Aber», denn Gianandrea Nosedas Dirigentendebüt als neuer Chef des Hauses ist zwiespältig. Es beginnt schon beim Vorspiel, das nichts Magisches an sich hat, schon das tiefe «Es» ist viel zu laut angesetzt. Noseda kann (noch) nicht mit dem relativ kleinen Raum mit trockener Akustik umgehen. In seiner Interpretation ist viel zu viel Kraftmeierei und Druck, er liebt die Emphase und die «Melodienfetzen». Fliessen und gleiten ist nicht sein Ding, weshalb vieles etwas plump wirkt. Vor allem das Blech, im «Rheingold» allgegenwärtig, wirkt undifferenziert laut und das hämmernde Nibelheim ab Lautsprecher ist ärgerlich.

Christopher Purves als Alberich setzt Akzente

Zumindest aber gelingt es Noseda, musikalischen Raum für drei Grosse ihres Fachs zu schaffen, die höchst differenziert vom subtil gesetzten Sprechgesang bis hin zum wütenden Ausbruch interpretieren. Die Rede ist von Tomasz Konieczny in seiner Paraderolle als Wotan, der das Changieren zwischen Ratlosigkeit und Machtbesessenheit mustergültig beherrscht. Und da ist Matthias Klink als Loge, ein mephistophelischer Zauberer mit rotem Mantel und edlem Zylinder, der mit nackten Füssen herumturnt und szenisch genauso agil wirkt wie sängerisch. Seiner Leistung tat auch die hörbare Stimmermüdung zum Schluss keinen Abbruch.

Als Dritter im Bunde etabliert sich Christopher Purves als Alberich, dem der Wandel vom sexheischenden, grauslichen Bettler zum machtgeilen «Zirkusdirektor» mit Peitsche in Nibelheim souverän gelingt. Alberichs Verwandlungskünste zum feuerspeienden Ungeheuer und zum hüpfenden Frosch entlockten dem Publikum gar ein Schmunzeln.

Christopher Purves als Alberich brachte das Publikum zum Schmunzeln.

Dies alles funktioniert in dem riesigen Schrank, in dem sich der Zirkuszauber abspielt. Schade, dass bei dem mit mächtigem Bass-Bariton ausgestatteten Purves die Texttreue zu wünschen übrigliess, was insbesondere seinen Ring-Fluch beeinträchtigte.

Eindimensional gezeichnete Frauenfiguren

Die Frauenfiguren werden dagegen «stiefmütterlich» behandelt und bleiben entsprechend eindimensional. Da war die bieder-keifende Fricka mit stählerner Stimme (Patricia Bardon), ein Rollenbild, das längst überholt ist. Der Magie Erdas (Ana Danik) wiederum fehlte die Unterstützung aus dem Orchestergraben. Die drei Rheintöchter (Uliana Alexyuk, Niamh O’Sullivan, Siena Licht Miller) hüpften im weissen Nachtgewand munter von Raum zu Raum und von Bett zu Bett, und Freia (Kiandra Howarth) wurde von den goldbesessenen Riesen als Spielball rücksichtslos hin- und hergerissen. Als Letztere gefiel David Soar als Fasolt mit warmem Stimmtimbre weit besser als Oleg Davydov als Fafner mit seinem Hang zu abgehackter Phrasierung.

Wer hat da etwas von Putins Konferenztisch gesagt? Schlussbild in «Rheingold» .

Schliesslich wartete man gespannt auf das vierte Bild, auf die grossartige Regenbogenbrücke mit Burg, und erlebte stattdessen ein grosses Fragezeichen. In Wotans Bürgerstube öffnen sich die Türen des Riesenkastens und machen Platz für ein gleissendes weisses Nichts. Dann weitet sich der Raum mittels Drehbühne zur ganzen Breite und präsentiert ein Standbild der Ratlosigkeit: ein ellenlanger goldener Tisch, am einen Ende Freia, am anderen Donner und Froh, in der Mitte Wotan mit Speer und Fricka mit steinernem Blick, im Hintergrund das zerschmetterte Bild der Caspar-Wolf-Landschaft mit der Silhouette der Burg. Und nun? Fortsetzung folgt!

Weitere Vorstellungen: 3, 7, 10, 14, 18, 22, 25 und 28. Mai.

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