Edle Liebende in trister Umgebung

Musikalische Meisterleistungen: „Tristan und Isolde“ in der Staatsoper

Richard Wagners Todeskult: Was hat er uns heute, in diesen Zeiten, noch zu sagen? Andreas Schager (Tristan) und Martina Serafin (Isolde) inmitten einiger Verfremdungen.
Richard Wagners Todeskult: Was hat er uns heute, in diesen Zeiten, noch zu sagen? Andreas Schager (Tristan) und Martina Serafin (Isolde) inmitten einiger Verfremdungen. © APA/Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Dann kam, was kommen musste. Richard Wagners Meisterwerk „Tristan und isolde“ in der Wiener Staatsoper, nach mehr als fünf Stunden jubelten die Besucher Martina Serafin und Andreas Schager, ihren gleicherweise in Bestform agierenden Kollegen sowie Philippe Jordan und dem Orchester so lange zu, bis das Leitungsteam erschien.

Lautstarke Buhs mischten sich in den nachlassenden Applaus, die Buhs gewannen die Oberhand. Kein Wunder, hatten doch Bühnenbildnerin Rebecca Ringst und Kostümschöpfer Ingo Krügler in eine Welt heutiger Kleinbürger versetzt, womit die in anderen Sphären ablaufende Handlung Wagners verunglimpft wurde.

Zum Beispiel besitzt Isolde – wohlgemerkt als irische Prinzessin – in allen drei Aufzügen ein einziges grün-weiß geblümtes Kleid und einen Staubmantel. In Cornwall wohnen Tristan und Isolde in Armenquartieren. Sie immerhin in einem adretten Speisezimmer, er in einer Art Kellerwohnung.

Im Laufe ihres Dialogs zerstören sie ihre Wohnungen, die dann einfach in der Luft herumhängen. Sobald der schwer verletzte Tristan im Schloss seiner Väter in Kareol erwacht, befindet man sich in einer Art Swinger Club, wo uns Regisseur Calixto Bieito offensichtlich die wahre Liebe anhand in sich verschlungener Körper nackter Menschen nahebringen will.

Immerhin schafft Bieito endlich auch glaubhafte Kontakte zwischen Tristan, Kurwenal und König Marke, ehe ihm die Schlussszene ausgezeichnet gelingt: Der tote Tristan wird von Isolde liebevoll auf einem Teil eines Tisches platziert, ehe sie ihren Liebestod friedvoll erleidet.

Das geht zu Herzen

Am Pult des Orchesters und Chores der Staatsoper steht Musikchef Philippe Jordan, der Wagners Gefühlswelt überwiegend sehr subtil zelebriert. Wagners Bezeichnung „Handlung“ statt „Oper“ nimmt Jordan bis ins Detail ernst, ohne sich in jedem Fall an das Sichtbare zu halten.

Begeisterung entfacht die Begleitung des Orchesters im langen Finalmonolog Tristans bei der Erwartung Isoldes. Die Kraft, die der vielseitige Andreas Schager hier tenoral, mental und im Körpereinsatz leistet, ist unübertrefflich.

Martina Serafin, die Tristan und den Tod liebt, trauert zwar, besticht aber durch ihre Präsenz, wenn sie Tristans Hände zum gemeinsamen Gang in die Ewigkeit umfasst: ein zu Herzen gehendes musikalisches und szenisches Bild.

Mit Ausnahme von Clemens Unterreiner, der als Bösewicht Melot baritonal perfekt sogar einen Hauch von Charme verströmt, agieren weitere Wagner-Interpreten der Sonderklasse in ihren Staatsopern-Rollendebüts: René Pape als allzu gemütlicher König Marke, Iain Paterson als manisch-treuer Tristan-Freund Kurwenal, Ekaterina Gubanova als von der Regie unterbeleuchtete Brangäne sowie Martin Häßler, Josh Lovell und Daniel Jenz in stimmungsfördernden scheinbaren Nebenrollen, die mit Philippe Jordans Hilfe zu Edelsteinen für Sänger und Publikum geformt wurden.

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