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Der „Rosenkavalier“ am Staatstheater Nürnberg: In der Ausnüchterungszelle

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Szene aus dem „Rosenkavalier“ am Staatstheater Nürnberg mit Patrick Zielke als Baron Ochs.
Schluss mit dem ollen Rosen-Ritual, das findet hier nicht nur Baron Ochs (Patrick Zielke). © Pedro Malinowski

Am Staatstheater Nürnberg steckt Marco Štorman, ausgebildet an der Bayerischen Theaterakademie, den „Rosenkavalier“ von Richard Strauss in die Ausnüchterungszelle. Lesen Sie hier unsere Premierenkritik:

Ob sich dieses legendäre Duo, Regisseur Otto Schenk und Ausstatter Jürgen Rose, einmal ausgemalt hat, dass es zum Trauma wird? Für alle Regisseure, die sich (häufig vergeblich) abarbeiten an der Opulenz im „Rosenkavalier“? An der Melange aus Schlagobers und Schokoguss, in die unser aller liebste Oper von Richard Strauss gern und gerade in München getaucht wurde? Am Staatstheater Nürnberg steckt Marco Štorman, ausgebildet an der Bayerischen Theaterakademie, das Stück gleich in die Ausnüchterungszelle. Nix Zeitalter von Maria Theresia, nix Fantasie-Rokoko also, dafür begegnen sich die Figuren in Schwarz-Weiß-Optik zwischen Klapplamellen und vor einer Neonröhrenwand. Man schaut auf die Bühne von Frauke Löffel und Anna Rudolph und zieht das Sakko enger zusammen: Es ist kalt in Franken.

Staatstheater Nürnberg: Joana Mallwitz musste sich bei der Premiere vertreten lassen

Auch das Zuhören wärmt nicht. Ohnehin musste diese Premiere aus bekannten Gründen um gut zwei Wochen verschoben werden. Kurz vor dem Nachholtermin erkrankte ausgerechnet die sonst gefeierte Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz. Für sie übernahm der Erste Kapellmeister. Und im Dirigat von Lutz de Veer dürfte sich wenigstens widerspiegeln, was Mallwitz wollte.

Ungewöhnlich rasch und streng ist dieser „Rosenkavalier“. Kein „Verweile doch“, nichts Dahingeschlenztes, kaum eine lässige Wiener Verzögerung. Alles drängt im hochtourigen Lustspielton nach vorn. Manche schöne Streicher- oder Bläserstelle hört man trotzdem, anderes wirkt wie überfahren und diffus. „Der Rosenkavalier“ entzaubert und vegan: Klingt so ein angeblich „moderner“ Strauss?

Regisseur Štorman entzaubert den „Rosenkavalier“

Zumindest liegt Regisseur Štorman nicht so falsch. Für die emotionalen Kraftfelder des Stücks, für die Zuneigung einer reiferen Marschallin zum jugendlichen Titelhelden Octavian, der sich in die gleichaltrige Sophie verknallt, für all das braucht es keine Verkleidung. Das gilt für Strauss genauso wie für sein großes Vorbild Mozart. Sekunden nach der Rosen-Überreichung, der Kernszene des Werks, brechen folglich Octavian und Sophie in Gelächter aus: Schluss mit dem ollen Ritual.

„Rosenkavalier“: Geisterstunde auf fast leerer Bühne

Wo die Inszenierung also spielt mit der Tradition, wo wir tatsächlich Menschen von heute begegnen, da ist sie gut. Der dritte Akt driftet sogar ins Surreale, eine Geisterstunde auf fast leerer Bühne, in der Baron Ochs in Unterhose emotional entgleist. Und doch ist vieles auch unentschlossen, nicht zu Ende geführt und gedacht – und bleibt lediglich ästhetische Behauptung. Am besten, man hält sich an Ochs, eigentlich für Sophie als Ehemann ausgedacht. Patrick Zielke gibt ihn als Mischung aus Zuhälter, Möchtegern-Rapper und großem (Einzel-) Kind. Das ist so schmierig wie sympathisch und dazu ausnehmend gut gesungen. Zielkes leichtgängiger Bass ist ideal für den flotten Konversationston, kann mal wunderbar warm, mal verzerrt klingen. Und für die großen Momente ist auch genug Potenzial da.

Rein musikalisch gesehen wäre tatsächlich die Sophie die ideale Partnerin, Julia Grüter singt sie mit substanzreichem, silbrigem und höhensicherem Sopran plus einer aparten Portion Selbstironie, auch im Spiel. Etwas irritierend, dass die mondäne, jugendliche Marschallin von Emily Newton eine Spur zu lyrisch flirrt und sich damit im selben Stimmfach wie Sophie bewegt. Mireille Lebel ist als Octavian ganz aufgekratzter Teenie, ihrem herben, schlanken Mezzo ist aber auch anzuhören: Die Partie liegt ihr zu hoch. Fast überbesetzt ist dagegen Jochen Kupfer. Er macht Sophies Vater Faninal minutenlang zur Hauptperson und wirkt wie ein Implantat aus guten alten „Rosenkavalieren“. So gesehen, hätte sich Kupfer locker auch bei Schenk/Rose behauptet.

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