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Im Bild(v.l.n.r.):Almerija Delic, Sergei Nikolaev, Patrick Zielke, Michal Rudziński, Mireille Lebel, Ferdinand Keller. Fotograf: Pedro Malinowski
Im Bild(v.l.n.r.):Almerija Delic, Sergei Nikolaev, Patrick Zielke, Michal Rudziński, Mireille Lebel, Ferdinand Keller. Fotograf: Pedro Malinowski
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In Nürnberg sucht Marco Štorman ausgerechnet beim „Rosenkavalier“ nach dem Kern der Sache

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In normalen Zeiten gehört es sich eigentlich nicht, über Generalproben zu schreiben. Aber was ist schon noch normal heutzutage. An der Oper in Bonn zum Beispiel wäre man sicher froh, wenn denn jemand über eine stattgefundene Generalprobe der Inszenierung von Giacomo Meyerbeers „Feldlager in Schlesien“ berichtet hätte, von dem hierzulande niemand eine Vorstellung hat, wie das wohl klingen mag. Schlimmer kann es kaum kommen für die Bonner: das Feldlager muss erneut leer bleiben….

Die Macher verdienen Mitgefühl und Langzeitgeduld der professionellen und neugierigen, aber nun schon mehrfach verhinderten Zuschauerschaft. Man kann nur hoffen, dass das Virus nur leicht Verlaufendes anrichtet und vor allem die Motivation, es dennoch wieder zu versuchen, nicht untergräbt.

So gesehen ist es kluge, pragmatische Vorsicht, auch mal eine Generalprobe – oder moderner gesagt ein Preview – zu besuchen, wie jetzt im Falle des neuen, auch schon mal verschobenen „Rosenkavalier“ im Staatstheater Nürnberg.

Das, was die Verantwortlichen, Dirigenten oder Regisseure sonst immer zögerlich sein lässt, kritisierende Beobachter zuzulassen, das war zwei Tage vorm Premierentermin in bester Ordnung. Wenn man mal davon absieht, dass Joana Mallwitz, auf deren Dirigat man gespannt gewesen wäre, aus den üblichen Gründen dem ohnehin fürs Nachdirigieren vorgesehenen Lutz de Veer den Vortritt lassen musste. Die Staatsphilharmonie war unter seiner Leitung mit Vehemenz bei der Sache, auch wenn sie dabei mitunter so aufdrehte, dass man fast glauben mochte, die Chefin solle – wo immer sie sich gerade aufhält – mithören.

Da, wo es dann wirklich drauf ankommt, beim hochambitionierten Terzett der drei Frauenstimmen im Dritten Aufzug, gab es an der Balance nichts zu deuteln. Da war Straussklang de luxe in beispielhafter Dosierung. Was natürlich auch den drei famosen Damen zu verdanken war. Emily Newton ist im ersten Akt eine attraktive, selbstbewusste, noch jungen Frau, die sich ziemlich glaubwürdig einen halb so alten Liebhaber leistet, und auch diverse Ersatzkandidaten (war es nicht eine Spur zu vertraut, wie sie ihren Haushofmeister anlächelt und umgekehrt?) im Blick behält. Im dritten Akt ist sie die personifizierte melancholische Einsicht in den Lauf der Dinge. Sie dürfte es wohl mit einiger Mühe schaffen, zu verwirklichen, was sie sich vorgenommen hatte, nämlich IHN auf die richtige Art zu liebe…. Newton singt das alles mit Würde und warmer Leuchtkraft. Sie ist Marie Theres und die Frau Fürstin Feldmarschall – die Sympathieträgerin schlechthin.

Mirelle Lebel gibt mit vibratogesättigter Eindringlichkeit den burschikosen Octavian kraftvoll stürmisch, aber dann auch jungenhaft verspielt, wenn er mit Sophie zusammentrifft. Julia Grüter kriegt es hin, die eigentlich in einer Scheinwelt erzogene, als selbstbewusste junge Frau von heute gleichsam zu unterlaufen, bei der Rosenübergabe das Ritual zu durchschauen und gemeinsam mit Octavian zu parodieren und am Ende mit ihm zusammen aus ihrer vorgegebenen Rolle aus- und in eine unbekümmerte Utopie der Liebe (ist ein Traum, kann nicht wirklich sein) einzusteigen. Sie singt das durchweg mit einer hinreißenden Jugendlichkeit. Alle drei Frauen und die Art wie sie auf den Wogen der Strausschen Opulenz zusammenfinden, sind ein Glücksfall dieser Produktion. Dazu kommt die Intrigantin Annina, die bei Almerija Delic nicht nur vokal luxuriös ausgestattet ist, sondern von ihr auch zu einem Kabinettstück von darstellerischer Präsenz erweitert wird. Jochen Kupfer ist als Herr von Faninal von eloquenter Präsenz, auch wenn der den Neureichen denunzieren muss. Tadeusz Szlenkier nutzt seine kurze Rolle, um als Tenor zu glänzen. Auch alle übrigen schlagen sich wacker.

Bleibt der Baron Ochs auf Lerchenau. Die durchschlagende stimmliche Vehemenz von Patrick Zielke steht außer Frage. Das ist samt seines Körpereinsatzes eine Show für sich. Auch wenn er ihn ohne die Wiener- bzw. Hofmannsthalsche Schmäh-Diktion singt. Allerdings bleibt er nach seinem Bremer Agro-Ochs in Frank Hilbrichs Psychothriller vor drei Jahren, auch in Nürnberg auf den prolligen Primitivling reduziert und jener Ambivalenz beraubt, die diese aus der Zeit gefallene Figur eben auch hat. Selbst der mit Wien fremdelnde barocke Landedelmann in Bedrängnis, der ist, was er ist und niemand nix beweisen muss, hätte wohl – um das Harmloseste zu nennen – den Handkuss angedeutet, den die Marschallin erwartet hat und ihr nicht einfach die Hand geschüttelt. Aber nicht nur auf den Ochs hat es Regisseur Marco Štorman offensichtlich abgesehen. 

Man könnte fast meinen, gleich auf den ganzen „Rosenkavalier". Im Programmheft verweist er selbst auf seine erste Inszenierung des Stückes 2013 in Klagenfurt. Liest man das Presseecho, so hallt Begeisterung über die Opulenz und detailfreudige Sinnlichkeit nach, die davon wohl ausgegangen sein muss. Davon ist aus Nürnberg nichts zu berichten. Eher vom Versuch des Gegenteils. Erklärte Absicht des Regisseurs war es, die Figuren von all den Traditionen und dem Dekorativen zu befreien, und ein „Kammerspiel im zeitlosen Seelenraum“ zu präsentieren. Das Problem ist nur, wenn diese Art von radikaler Verfremdung zu einer Entfremdung wird, die den Gegenstand, den Charme, das Vertraute dieser von Hofmannsthal komplett erfundenen Maria-Theresia-Zeit völlig verschwinden lässt. Bei der Silberrose bleibt es immerhin. Ob die aber wirklich nach persischem Rosenöl duftet?

Wer den „Rosenkavalier“ noch nie gesehen hat, der läuft Gefahr, diesen bewusst aufgerissenen, provozierenden gedanklich-ästhetischen Abgrund zwischen dem was man auf der Bühne (nicht) sieht und der Imagination von Musik und Dichtung, also all dem, was den „Rosenkavalier“ als filigranes, melancholisches und deftiges, zutiefst menschliches Gesamtkunstwerk ausmacht, eventuell nicht zu überwinden, sondern darin zu verschwinden.

Die Bühne, die Frauke Löffel und Anna Rudolph gebaut haben ist das pure Allzweck-Nichts. Eine Art Baugerüst mit drehbaren Lamellen (meist schwarz – nur bei Faninals mal weiß – und eine Rückwand aus Neonröhren. Die markieren szenische Überraschungen, in dem sie das Publikum blenden oder die Figuren in optischer Unschärfe verschwinden lassen. Im ersten Aufzug gibt es innerhalb der Außenwandkonstruktion noch eine innere für das Liebesnest von Marschallin und Octavian in der Mitte. Alles dunkel, grau und unsinnlich. So wie die Kostüme, mit denen Axel Aust die Protagonisten versehen hat. Mit Ausnahme der Marschallin, der er im ersten Akt warmes Rot und im Dritten Eleganz in Schwarz zugesteht. Und der Annina, die sich über ihr Kostüm auch nicht beschweren könnte. Der Rest und vor allem die Männer: Na ja. Das Personal der Marschallin kommt in seinen Hotelboy-Uniformen und einer dazu passenden Choreografie noch ganz witzig rüber. Der Rest der Optik ist im Grunde ein Härtetest für das Charisma der Musik. Und für die Geduld zumindest des Publikums, das mit dem „Rosenkavalier“ mehr oder weniger vertraut ist. Und das sich heutzuge wahrscheinlich nicht wundert, wenn aus Mohamed eine kleines damenhaftes Mädchen geworden ist. Aber auch der Zuschauer ist in Nürnberg mit den Stimmen und der Musik auf jeden Fall auf der sicheren Seite.  

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