Löftet (Das Versprechen), die neue Oper des Schweden Mats Larsson Gothe wurde nicht zufällig gerade gestern, am 27. Januar, dem internationalen Holocaustgedenktag, an der Royal Swedish Opera in Stockholm uraufgeführt. Denn Gothe hat zusammen mit der ebenfalls schwedischen Librettistin Susanne Marko den fürchterlichen Holocaust in den Mittelpunkt seines Zweiakters gestellt. Angesichts der immer größer werdenden Zahl der Leugner ist dies wichtiger denn je!

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Löftet
© Sören Vilks | Royal Swedish Opera

Der absolute Star dieser Oper in zwei Akten voller Zitate osteuropäischer Volksmusik, frühem Strawinsky und tragischem Schostakowitsch ist die schwedische Sopranistin Hanna Husáhr als Ava. Sie verlor in dem erdrückenden Reigen von Tod und Erniedrigungen nie die Gewalt über ihre warme realistische Stimme. Ihre Gefühlseruptionen blieben stimmlich immer echt und überzeugend und selbst in den beklommensten Situationen bewahrte sie für jeden nachvollziehbar menschliche Echtheit.

Zu Beginn gibt Ava im Ungarn des Jahres 1944 ihrem Geliebten Teo (Karl-Magnus Fredriksson mit philosophisch sanfter Ausstrahlung und hellem klar tragenden Timbre) vor dem Rabbiner das Eheversprechen. Im Hintergrund sieht man auf einer großen Videoleinwand Ähren, die sich im Winde beugen, später einen Schnitter und im weiteren Verlauf drohende Unwetter, Wassermassen und treibende Körper unter der Wasseroberfläche in weiten fließenden Kostümen.

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Hanna Husáhr (Ava)
© Sören Vilks | Royal Swedish Opera

Nach düsterer Übergangsmusik sehen wir in der nächsten Szene, ein Jahr später, auf einem Bahnhof eine große Menge von Menschen versammelt, die den Krieg überlebt haben. Der klanggewaltige Chor der Royal Swedish Opera glänzt hier wie auch im weiteren Verlauf in harmonisch und rhythmisch perfekt abgestimmtem a capella Gesang. Auch Ava ist dort, die nur eines will: Teo finden, von dem sie getrennt wurde, als sie kurz nach ihrer Hochzeit nach Auschwitz deportiert wurden. Ava trifft auf Gustav (fröhlich mit wendbarem Ausdruck: Niklas Björling Rygert), der auf dem Weg nach Hause ist und sich auf das Wiedersehen mit seiner Familie freut. Ava ist verzweifelt, da sie niemanden hat, zu dem sie zurückkehren kann.

Ava sucht in der Nacht auf dem Bahnsteig nach Teo. Sie trifft auf die schwer traumatisierte Maria, (Susann Végh mit viel Ausdruck und fast gespenstischer Bühnenpräsenz). Immer wieder erzählen einzelne Stimmen aus dem Chor die tragischen Einzelschicksale der Judenvernichtung.

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Hanna Husáhr (Ava)
© Sören Vilks | Royal Swedish Opera

Ava schläft, als sie von Fritz, (schauspielerisch und stimmlich stark: Kristian Flor), einem Wachmann in Naziuniform, geweckt wird. Die anfänglich für sie sehr bedrohliche Situation beugt sie um, indem sie zum Schein auf Fritz Avancen eingeht. In einem anfahrenden Zug kann sie ihm geistesgegenwärtig entkommen.

Als sie durch den Zug läuft, stolpert sie über einen schlafenden Mann, David (stimmlich und schauspielerisch sehr eindringlich: Jesper Taube). Er spricht über seine Schuld im Kampf ums nackte Überleben. Als Ava ihn versucht, zu trösten verliert David die Kontrolle, seine Umarmung wird immer heftiger. Ein Mädchen, Rosa (in einer Glanzrolle die brillante Sopranistin Agnes Auer), hilft ihr sich zu befreien. Mit dem Selbstmord von David endet der erste Akt.

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Clifford Lewis (Josef) und Agnes Auer (Rosa)
© Sören Vilks | Royal Swedish Opera

Das Orchester der Königlich Schwedischen Nationaloper Stockholm unter der effizienten Leitung von Alan Gilbert unterstützte die Sänger vorbildlich und setzt die rasch aufeinanderfolgenden Stimmungswechsel mit einer beeindruckenden Palette an Klangfarben in Szene. So klinkt Gothes im Ganzen eher traditionelle Partitur immer interessant ohne sich aufzudrängen.

Rosa teilt ihr Brot mit Ava und erzählt ihr von ihrem Bruder Josef (schwungvoll und mit herrlich mitreißender Stimme: Clifford Lewis) und den köstlichen Gerichten, die ihre Mutter immer zubereitet hat. Zu diesen frohen Erinnerungen passen die nun sommerlich heiteren Kostüme des Chores  von Nina Sandström und für einige Augenblicke vergisst man die schmerzhaften Rückblicke auf das, was unter den Nazis geschehen ist.

Schließlich kommt Ava ans Ziel. Es gelingt ihr, Teo ausfindig zu machen. Er ist halb tot und weigert sich zu glauben, dass die Person, die mit ihm spricht, seine Frau ist. Doch als sie schließlich von ihrer Liebe zu ihm singt, öffnet er sein Auge und sieht seine geliebte Ava.

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Hanna Husáhr (Ava) und Karl-Magnus Fredriksson (Teo)
© Sören Vilks | Royal Swedish Opera

Im Schlussbild von Regisseur Stefan Larsson singen auf der übersichtlich suggestiven Bühne Ava, Teo und Rosa mit dem gesamten Chor: „Jeder Tropfen enthält den ganzen Ozean und jeder Mensch die ganze Menschheit.“

Das Versprechen, das diese notwendige, in ihrer Synthese von Bekanntem und Experimentellen überzeugende Oper einfordert ist, dass wir als nachfolgende Generationen das im Holocaust zugefügte Leid nie vergessen werden. Löftet verdient mit dieser Botschaft, seinen bezaubernden Arien und großartig mitreißender Musik ein internationales Publikum.


Die Vorstellung wurde vom Livestream auf OperaVision rezensiert.

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