Musikalisch ist Mozarts „Cosi fan tutte“ an der Staatsoper makellos, aber Vincent Huguets Inszenierung bleibt peinlich.

In dieser „Cosi fan tutte“ schließt man gerne die Augen und hört allein Mozart zu. Die „Cosi“ überwältigt bekanntlich zuerst als Ensembleoper. Mit drei Männerterzetten ging es am Sonntag die Premiere in der Staatsoper Unter den Linden los. Bald schon kommen die beiden jungen Frauen hinzu, die in dieser Komödie auf die Probe gestellt werden sollen. Daniel Barenboim lässt seine Staatskapelle all jene zärtliche Berauschtheit hervorzaubern, die in diesem Versteckspiel der Gefühle aufzufinden sind.

Es sind besinnliche Momente, dramatische Ausbrüche und Einflüstereien. Es ist eine nahezu makellose Interpretation, in der die Holzbläser und vor allem das Horn herausgefordert sind. Die Sängersolisten, die an diesem Abend den Partnertausch vorführen, sind exquisit. Es hat sich in der Opernpraxis längst durchgesetzt, die Paare mit dramatischeren Stimmen zu besetzen, was der jugendlichen Leichtigkeit an diesem Abend keinen Abbruch tut.

Aber irgendwann muss man die Augen öffnen. Vincent Huguets Inszenierung ist ein buntes Desaster. Der französische Opernregisseur hat die Handlung aus dem Neapel der Mozart-Zeit ans Mittelmeer verlegt, wo sich gerade die 68er-Generation tummelt. „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“ lautete ein Slogan der sexuellen Revolution. Der 45-jährige Huguet will einen Diskurs über Sexualität führen. Mozarts berühmte Da Ponte-Trilogie mit „Cosi fan tutte“ (deutsch: So machen es alle Frauen), „Figaros Hochzeit“ und „Don Giovanni“ wird dazu in einem Staatsopern-Zyklus verknüpft und einzelne Figuren sollen mitreifen.

Der Zyklus erzählt die sexuelle Lebensgeschichte eines Paares

Denn Huguet will die Geschichte eines Paares erzählen, das um 1950 geboren wurde. In der „Cosi“ lernen sich zwei junge Paare im Partnertausch lieben. „Figaros Hochzeit“ hatte bereits seine gefeierte Premiere. Die Inszenierung zeigt die umtriebigen jungen Ehejahre im Milieu eines erfolgreichen Musikproduzenten, der seinen Star geheiratet hat und anderen Frauen nachsteigt. „Don Giovanni“ soll für den sexuellen Freiheitswillen im fortschreitenden Alter stehen. Das Konzept bleibt eine Kopfgeburt. Mozarts Opern sind weit mehr als Tändelei, Erotik und belanglose Unterhaltung. Regisseure behaupten gern, Opern spiegeln immer auch das heutige Leben und enthalten ewige Wahrheiten. Dann bliebe für Huguets Geschlechterbild in der „Cosi“ folgendes festzuhalten: Frauen sind doof, gern nackt, nur am Schminken und Sich-Umziehen interessiert und verschlagen. Man ist zwischendurch bereit, sich für den Regisseur fremdzuschämen.

Nacktgesang in der Badewanne bei „Cosi fan tutte“.
Nacktgesang in der Badewanne bei „Cosi fan tutte“. © MATTHIAS BAUS

Zumal Nacktheit in der Oper mehr als retro ist. Bereits 1929 saß eine Sopranistin unbekleidet in einer Badewanne: bei Hindemiths „Neues vom Tage“ an der Berliner Krolloper. Damals sang sie ein Loblied auf die Warmwasserversorgung. Bei Huguet ist die Badewannenszene ebenso unmotiviert wie die steifen Hippies, die sich regelmäßig im Hintergrund aufreihen müssen.

Zumindest hat der Regisseur eine eigene Schlusslösung gefunden. Nach dem missglückten Treuetest springen die Paare bei da Ponte wieder in ihre alten Konstellationen zurück. Davon lässt sich das Publikum heute kaum noch überzeugen. Bei Huguet stellt sich heraus, dass die Frauen gar nicht wirklich untreu waren, sondern Perücken trugen. Am Ende wird auf der Bühne in großer Runde fröhlich eine Reise nach Jerusalem gespielt. Es kommt zu einer neuen Paarung. Möglicherweise glaubt Huguet, dass in der Kommune 1 oder in Woodstock Partnertausch mit einer Stuhlpolonaise eingefädelt werden musste. Die neue „Cosi“ ist strunzbieder.

Das Publikum bejubelt die Sängerin Federica Lombardi

Federica Lombardi ist das Pfund, mit dem die Premiere wuchern konnte. Die Sängerin hatte bereits als Gräfin im „Figaro“ überwältigt. Als Fiordiligi führt die Sopranistin ihre Strahlkraft, ihre Geschmeidigkeit in den Koloraturen und in der großen Felsen-Arie gerade auch ihre Leidenschaft vor. Das Publikum jubelte ihr beim Schlussapplaus entgegen. An ihrer Seite überzeugt Marina Viotti als kokett auftrumpfende Schwester Dorabella. Die beiden Frauen harmonieren stimmlich gut miteinander, was in dieser Oper wichtig ist. Paolo Fanale ist der schwärmerische Tenor, der als Ferrando manchmal in lyrischer Selbstbefindlichkeit zu versacken droht. Seinem Freund Guglielmo kann Gyula Orendt ein umtriebigeres Format verleihen. Hinreißend singen und spielen auch Lucio Gallo als Zweifler Don Alfonso und Barbara Frittoli als freche Despina.