Nicht szenisch, aber auch nicht wirklich konzertant wurde in Stockholm an der Royal Swedish Opera bereits im Februar diesen Jahres Puccinis Tosca gegeben. Auf der stimmungsvoll beleuchteten Bühne – besonders schön war der glitzernde Sternenhimmel über dem Orchester im 3. Akt! – sorgte genau diese Mischform aus Konzert und szenischer Umsetzung jedoch für absurde bis irritierende Momente, denn die ganze Vorstellung wurde auf völlig leerer Bühne, ohne Requisiten, aber mit stets gewahrtem Mindestabstand gespielt, wodurch jeder Charakter in einem isolierten Universum zu existieren schien. Dadurch verpuffte jegliche Romantik des Duetts im 1. Akt, Scarpia starb nicht durch ein Messer, sondern wohl eher durch Toscas telepathische Fähigkeiten und das Erschießungskommando hatte offenbar den Termin auf der Engelsburg verschlafen. Die Sänger bemühten sich dennoch merklich darum, ihre Rollen durchaus packend und mit vollem darstellerischem Einsatz zu verkörpern, aber Oper ohne zwischenmenschliche Interaktion funktioniert letztlich einfach nicht.

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Malin Byström (Tosca)
© Royal Swedish Opera | OperaVision

Die ideale Rolle scheint die Tosca für Malin Byström stimmlich außerdem nicht zu sein, denn ihr Sopran klang vom ersten Ton an ungewohnt kehlig, künstlich abgedunkelt und angestrengt. Auch an Italianità und kokettierender Divenhaftigkeit fehlte es der Sopranistin an diesem Abend völlig, phasenweise wirkte es vokal beinahe so, als hätte sich Salome zufällig nach Rom verirrt. In den dramatischen Ausbrüchen musste Byström überdies merklich nachdrücken, um die Stimme sowohl in die Höhe als auch über das Orchester zu bringen. Ihre stärksten Momente hatte sie in den lyrischen Phasen, in denen sie ihre Stimme warm timbriert und fein gesponnen durch Puccinis Musik gleiten lassen konnte – etwa in den ersten Takten des „Vissi d’arte” oder als Tosca verlangt, dass die von Cavaradossi gemalte Madonna dunkle Augen bekommen soll. Nicht seinen besten Tag hatte Daniel Johansson als Cavaradossi erwischt. Sein leicht nasales, vibratoreiches Timbre mag Geschmacksache sein, aber die Rolle brachte den Tenor immer wieder auch an technische Grenzen: die Höhe wurde häufig eng, Legato-Bögen gerieten brüchig und die Vittoria-Rufe vermittelten forcierte Anstrengung anstatt strahlende Siegesgewissheit. Immerhin gelang das „E lucevan le stelle” klangschön, hier schien er nochmals alle Reserven zu mobilisieren und ließ sogar ein bisschen Schmelz durchschimmern. 

Einen düsteren Scarpia interpretierte Łukasz Goliński, der seinen samtig timbrierten Bariton zwar nicht immer mit der feinsten Klinge, aber durchwegs effektvoll einzusetzen wusste. Die Facetten der Machtbesessenheit, die Scheinheiligkeit und den Sadismus der Figur zeichnete er mit den Farben seiner Stimme vielschichtig und rubinrot schimmernd. Adäquat besetzt und gut disponiert präsentierten sich die kleinen Rollen – von Markus Schwartz als zynischem Mesner bis hin zum unschuldigen Hirten aus dem Kinderchor. Eine sehr überzeugende Leistung bot auch das Royal Swedish Orchestra unter der Leitung von Matteo Beltrami: mit einer guten Mischung aus Eleganz und Dramatik interpretierten die Musiker das Werk und der Dirigent sorgte stets dafür, dass die Balance zwischen den Instrumentengruppen gewahrt blieb, sodass der Gesamtklang mit feiner Transparenz bestach. Lediglich die Tempi im 2. Akt waren für meinen Geschmack ein Schwachpunkt, denn diese waren etwas zu gedehnt, um die erdrückende Bedrohlichkeit von Scarpias Polizeistaat in der Folterszene schonungslos zu verdeutlichen. Herrlich verträumt, glänzend und melancholisch erklang dann jedoch der Beginn des letzten Akts und für einen Moment weckte das Orchester dabei die Illusion eines möglichen Happy Ends.


Die Vorstellung wurde vom Stream der Royal Swedish Opera auf OperaVision rezensiert.

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