Boris Blachers „Romeo und Julia“ an der Rheinoper: Berührender Minimalismus

Xl_romeo_und_julia-blacher-duisburg-4-21-3 © Bildschirmfoto

Er ist 1903 in China geboren, in Sibirien und der Mandschurai aufgewachsen. 1922 kam er über Paris nach Berlin, wo der deutsch-baltische Komponist Boris Blacher dann seinen endgültigen Lebensmittelpunkt fand. Seine Kammeroper Romeo und Julia entstand in einer umtosten Kriegszeit, im Jahr 1943. Die textliche Grundlage bilden Szenen von William Skakespeare, in der Schlegelschen Übersetzung. Die Handlung wurde von Blacher nicht verändert. Er konzentrierte sich allerdings auf das tragische Geschehen und die beiden Hauptfiguren, bei welchen er deren Vereinsamung besonders herausstreicht. Nebensächliches wurde konsequent ausgelassen. Musikalisch zeichnet sich die kaum aufgeführte Opernrarität im Stil von Kurt Weill und mit einigen Hinweisen auf Paul Hindemith durch musikalischen Minimalismus aus, durch die Kunst des Weglassens. Eingestreut werden einige von der Untergangsstimmung geprägte, deutsche Chansons mit Klavierbegleitung. Eine bedeutende Funktion übernimmt der harmonisch und rhythmisch sehr kühn angelegte Solistenchor, der wie in einer griechischen Tragödie kommentiert, die Handlung auch mitgestaltet, und die Rollen mehrerer anderer Figuren übernimmt. Diese szenischen Miniaturen beschwören insgesamt eine liebesfeindliche Welt.

Die Deutsche Oper am Rhein hat nun das einstündige Stück am 19. März im Theater Duisburg aufgezeichnet und jetzt ins Netz gestellt. Man sieht einen Art Kampfplatz, einen Boxring oder eine Zirkusarena von Heike Scheele als zentrale Spielfläche ohne Entkommen, umgeben von einer erhöhten Galerie mit Öffnungen, wo der Chor als Kommentator auftritt. Die Auftritte der Protagonisten erfolgen meist von der Unterbühne. Regisseur Manuel Schmitt hat Momente inszeniert, die unmittelbar berühren aber auch expressiv wirken. Humorvolle Sequenzen fehlen auch nicht. Starke Szenen bietet ferner die Kampfchoreographie, die sich den Ausdrucksnuancen von Blachers differenzierter Partitur wirkungsvoll anpasst. Und der Tod des ewigen Liebespaars zum Finale mit den aus dem Schnürboden rieselnden Herbstblättern kommt ganz stark rüber.

Gesungen wird in der deutschen Originalsprache.Lavinia Dames ist eine blitzsaubere, helle Julia, Jussi Myllys ein mit höchsten Tönen singender Romeo. Beide singen mit intensivem und berührendem Ausdruck. Florian Simson ist ein scharf umreißender Brechtscher Chansonnier. Große Präsenz zeigen ebenso die anderen Gesangspartien, denen Katarzyna Kuncio als Lady Capulet, Renee Morloc als Amme, Günes Gürle als Capulet und Andres Sulbaran als Tybalt sowie Beniamin Pop als Benvolio eindrucksvolle Gestalt geben. Ganz klar singt der kleinbesetzte, sorgfältig von Gerhard Michalski einstudierte Chor der Deutschen Oper am Rhein auch die vielen Unisono-Passagen.

Das mit nur neun Musikern klein besetzte Kammerorchester der Duisburger Philharmoniker unter der einfühlsamen Leitung von Christoph Stöcker spielt sehr ambitioniert und präzise.

Die Produktion wurde am 19. März im Theater Duisburg aufgezeichnet und wird auf dem Kanal von OperaVision gezeigt. Dort ist sie noch bis 17. Oktober zu sehen.

Dr. Helmut Christian Mayer

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