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„Les contes d‘Hoffmann“ aus Zürich: Hoffmanns Bilderbogen

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Ein perfektes Paar, aber da stimmt etwas nicht. Hoffmann und Olympia, Saimir Pirgu und Katrina Galka.
Ein perfektes Paar, aber da stimmt etwas nicht. Hoffmann und Olympia, Saimir Pirgu und Katrina Galka. © Monika Rittershaus

Offenbachs Oper ist im Stream des Zürcher Opernhauses so schön wie quicklebendig.

Natürlich beeindruckt das verantwortungsvolle Weitermachen. Es wird als trotziger menschlicher Triumph über die Widrigkeiten aus dieser Phase unser aller Leben in Erinnerung bleiben. Wie sich jetzt wieder der Dirigent des Abends, Antonino Fogliani, vor dem Beginn der Aufführung in Richtung Kamera verbeugt. Wie hinter ihm das Orchester verteilt im Probensaal sitzt, dahinter und hinter einer Plexiglasscheibe der Chor, während im nahen Opernhaus Zürich Statisten wacker den Chor mimen und das Ensemble über ein Techniksystem mit Ton und Bild versorgt wird.

Vor dem Computer spielt die vielgelobte Zürcher Klangtechnik – die sich auch vor Publikum im Corona-Jahr schon bewährte – keine Rolle. Diesmal ist am ehesten der Chor der Leidtragende, der zu einem weniger kompakten Gesamtklang findet, als seine Vertreter vor Ort, eine kecke Horde Studentenrüpel, es nahelegen. Ansonsten klingt alles „richtig“.

Zum verantwortungsvollen Weitermachen braucht es allerdings Geld. Das Opernhaus Zürich vergisst an keiner Stelle, seinem Sponsor zu danken.

Jacques Offenbachs große Oper „Les contes d’Hoffmann“, „Hoffmanns Erzählungen“, ist seiner ungeklärten Schlussfassung wegen schon in vielerlei Gestalt aufgetreten. Die in Zürich gewählte Form wirkt geschlossen und schlank. Geschmeidig fügt sich das in die Inszenierung von Andreas Homoki ein, der sich mit Bühnenbildner Wolfgang Gussmann auf eine Art Bilderbogen-Darbietung geeinigt hat, belebte Bilderbögen, die ihrer Natur gemäß etwas Genügsames haben. Raffinesse und Geschmack herrschen vor, aber man sollte die Kunst der Oberfläche – erst recht nicht bei einer mit Schein und Sein befassten Geschichte – nicht unterschätzen. Hier wird ernsthaft etwas in Gang gesetzt. Es schnurrt über drei Stunden und zwei Pausen hinweg perfekt weiter.

Als Grundlage dient eine trapezförmige, bewegliche Fläche vor schwarzem Grund, ein fliegender Escher-Kachelboden, auf dem wenige gediegene Requisiten den Akteuren und Akteurinnen zur Verfügung stehen. Die Kostüme von Gussmann und Susana Mendoza vermitteln hochwertige Eleganz: keine überkandidelte Offenbach-Mode, sondern E.T.A.-Hoffmann’scher Klassizismus.

Rasante Spielfreude und vor allem rasantes Spielvermögen verhindern nun, dass das fade werden könnte. Zur Verfügung steht vor allem ein staunenswerter Hoffmann, der albanische Tenor Saimir Pirgu, der hier trotz der allgemeinen Musiktheaterlage ein wie auf genau diesen Punkt vorbereitetes Rollendebüt geben kann: Stimmlich bietet er erstklassig alles, was die seltsame, aufreibende Rolle verlangt, das Lyrische, das Heldische, das Charaktervolle, den langen Atem, um im Giulietta-Akt noch zu singen wie ein junger Gott. Als kraftvolle Figur muss er jedes Inszenierungsteam vor Glück beben lassen. Jedenfalls kann Homoki viel mit ihm anfangen, zumal eine Galerie idealtypischer Protagonistinnen bereitsteht, die aus jeder Opernkonvention des Dramatischen, Elegischen, Gewitzten das jeweils Beste hervorholt: Die quicklebendig und doch tiefgrundierte Muse von Alexandra Kadurina, die schillernde Olympia von Katrina Galka (so lebendig war seit Data kein Roboter mehr), die intensive Antonia von Ekaterina Bakanova, die knallhart sinnliche Giulietta von Lauren Fagan, man hört und sieht sich nicht satt.

Typisch für diese Inszenierung auch, wie Andrew Foster-Williams in den Schurkenpartien rund um Lindorf trotz der klassischen Schurkenoptik den Schwung zum Bösen immer auch aus sich selbst herauszieht, nie alleine aus der Ausstattung.

Homoki bietet viel – darunter einen wahrhaft schockierenden abrutschenden Flügel zum Finale des Antonia-Akts –, aber erst am Ende entschließt er sich zum kräftigeren Eingriff. So gut ging diese Geschichte noch nie aus für Hoffmann und die wunderbare Stella, Erica Petrocelli. Darauf wäre man nun nicht gekommen, und das hat auch Gründe.

Opernhaus Zürich: als Video-on-Demand bis zum 30. April via www.opernhaus.ch

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