Jake Heggie "Dead Man Walking" an der Ungarischen Staatsoper: Packend umgesetzt

Xl_dead_man_walking-budapest-2-21-3 © Bildschirmfoto

Das Pärchen, verschmutzt und blutverschmiert, beide Tänzer (Choreographie: Eszter Lázár), ist omnipräsent. Es sind jene beiden, jungen Menschen, die Joseph de Roucher getötet hat. Sie umkreisen ihn stets wie in einem Albtraum und verschwinden erst, als dieser seine Tat gegenüber der Ordensschwester Helen gestanden hat: Ein nachvollziehbarer, guter Regieeinfall bei „Dead Man Walking“, der ersten Oper von Jake Heggie an der Ungarischen Staatsoper Budapest, die jetzt ohne Publikum Premiere hatte und gestreamt wurde.

„Dead Man Walking“ („Der tote Mann kommt“) ist jener makabre Ruf, der den Delinquenten in den USA auf ihren letzten Weg aus der Todeszelle zum Hinrichtungsort ständig begleitet. Nach dem Bestseller der Ordensschwester Helen Prejean und der erfolgreichen Verfilmung 1995 von Tim Robbins mit Sean Penn und Susan Sarandon in den Hauptrollen durfte man auf die 2000 in San Francisco uraufgeführte Oper, die weltweit vielfach nachgespielt wurde, so etwa auch 2007 am Theater an der Wien, gespannt sein.

Schäbig und unpersönlich, teils sogar bedrohlich ist die Szenerie von András Almási-Tóth. Auf Kulissen wird großteils verzichtet, dafür gibt es entsprechende Projektionen für die einzelnen Örtlichkeiten, wie das Kloster, die Straße als die Schwester unterwegs ist, und natürlich hauptsächlich das Gefängnis in verschiedensten Variationen. Almási-Tóth führt die Protagonisten und die in orangefarbene Overalls gekleideten, an Guantanamo gemahnenden Todeskandidaten (Kostüme: Krisztina Lisztopád)in geschickten Szenenwechseln und Videoeinspielungen schlüssig und souverän. Besonders stark ist Joseph De Rocher gezeichnet mit vielen Ticks und seiner subjektiven Wahrheit, die er vor sich herträgt und sich lange als unschuldig bezeichnet. Besonders ergreifend ist die Schlussszene, wo er auf das Brett geschnallt, auf die Hinrichtung wartend, die Angehörigen der Opfer doch noch um Verzeihung bittet. Zum Schluss hört und sieht man noch sein stockendes Herz bis es zu Schlagen aufhört.

Máté Sólyom-Nagy als viriler Delinquent Joseph de Rocher liefert sängerisch mit seiner kraftvollen Stimme und schauspielerisch eine starke Leistung ab. Andrea Meláth ist die Nonne Helen Prejean, die nach einem Briefwechsel den zum Tode verurteilten Mörder und Vergewaltiger Joseph De Rocher bis zu seiner Hinrichtung betreut und der gegenüber er erst im Angesicht des Todes seine Schuld eingesteht. Sie überzeugt im festen Glauben an ihre Aufgabe und ist etwas scharf in der Höhe aber intensiv in ihrer Aussagekraft. Präsent auch Katalin Károlyi als Mutter des Verurteilten mit etwas reifem Timbre. Mit leichtem Sopran kann man Gabriella Fodor als Schwester Rose hören. Von den vielen gut besetzten kleineren Rolle sei noch Jozsef Mukk als Priester erwähnt. Souverän hört man den Chor und Kinderchor des Hauses (Einstudierung: Gábor Csiki).

Vielleicht ließe sich die Story insgesamt mit weniger Bigotterie und weniger Schwarz-Weiß Thematik und weitaus aufrüttelnder erzählen, als dies Terence McNally in seinem epischen Libretto tut. Und obwohl das Ungarische Staatsopernorchester unter dem gut koordinierenden Dirigenten Kornél Thomas effektvoll, präzise und packend musiziert, können gewisse Schwächen der Partitur nicht übertüncht werden: Diese ist kaum wirklich innovativ, sondern plakativ, und eine eher seichte Mixtur verschiedenster Musikstile, mit vielen Zitaten aus Jazz, Blues, Gospel und Rock’n Roll (wie Elvis Presleys Jailhouse Rock), erinnert manchmal an Filmmusik und hinterlässt ohne einer besonderen authentischen Handschrift keine nachhaltige Spuren.

Dr. Helmut Christian Mayer

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