Opern-Premiere in Berlin : Auf Abstand, aber kreativ
Irgendwann, sagt der Regisseur Damiano Michieletto, hätten sie aufgehört „so zu tun, als sei dies eine normale Aufführung“. Das Ergebnis ist verblüffend. Natürlich reichen die Abstandsregeln, die Corona gebietet, in die ästhetische Substanz. Aber statt zu stören, scheinen sie im Fall von Leoš Janáčeks „Jenůfa“ zu stimulieren. Das betrifft Klang und Szene gleichermaßen. Im Orchestergraben der Berliner Staatsoper müssen acht erste Violinen genügen. Die Parts der Holzbläser hat Simon Rattle leicht umarrangiert, so dass statt drei nur jeweils zwei Flöten, Oboen und Fagotte zum Zuge kommen. Das führt dazu, dass die Revolte, die Janáček in seinen späteren Stücken gegen das homogene, spätromantische Orchester führt, nun auch für „Jenůfa“ gilt. Die innere Nervosität des Durchbruchsstücks ist mit Ohren zu greifen. Das Querständige der Instrumentation kommt plastisch heraus, genauer: die – von der Moderne erst viel später entdeckte – Chance einer aus Widerständen gedachten, neuen Materialität des Klangs.