Opern-Premiere in Berlin :
Auf Abstand, aber kreativ

Von Stephan Mösch
Lesezeit: 3 Min.
Jenůfa (Camilla Nylund) läuft vor Steva (Ladislav Elgr) davon.
Kleines Orchester, lyrisch befreites Singen: An der Berliner Staatsoper wissen Simon Rattle und Damiano Michieletto bei Janáčeks „Jenůfa“ aus der Pandemie klug Gewinn zu ziehen. Das Ergebnis ist in der 3Sat-Mediathek zu sehen.

Irgendwann, sagt der Regisseur Damiano Michieletto, hätten sie aufgehört „so zu tun, als sei dies eine normale Aufführung“. Das Ergebnis ist verblüffend. Natürlich reichen die Abstandsregeln, die Corona gebietet, in die ästhetische Substanz. Aber statt zu stören, scheinen sie im Fall von Leoš Janáčeks „Jenůfa“ zu stimulieren. Das betrifft Klang und Szene gleichermaßen. Im Orchestergraben der Berliner Staatsoper müssen acht erste Violinen genügen. Die Parts der Holzbläser hat Simon Rattle leicht umarrangiert, so dass statt drei nur jeweils zwei Flöten, Oboen und Fagotte zum Zuge kommen. Das führt dazu, dass die Revolte, die Janáček in seinen späteren Stücken gegen das homogene, spätromantische Orchester führt, nun auch für „Jenůfa“ gilt. Die innere Nervosität des Durchbruchsstücks ist mit Ohren zu greifen. Das Querständige der Instrumentation kommt plastisch heraus, genauer: die – von der Moderne erst viel später entdeckte – Chance einer aus Widerständen gedachten, neuen Materialität des Klangs.

Ohne Abo weiterlesen
Dies ist kein Abo. Ihre Registrierung ist komplett kostenlos, ohne versteckte Kosten.
Oder 3 Monate für 1 € pro Monat Zugang zu allen FAZ+ Beiträgen erhalten und immer aktuell informiert bleiben.