Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



7 Deaths of Maria Callas

Ein Opernprojekt von Marina Abramović
mit Musik von Marko Nikodijević und Szenen aus Werken von Vincenzo Bellini, Georges Bizet, Gaetano Donizetti, Giacomo Puccini und Giuseppe Verdi
Texte von Marina Abramović und Petter Skavlan

In italienischer und englischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 30' (keine Pause)

Uraufführung am 1. September 2020 an der Bayerischen Staatsoper München




Bayerische Staatsoper München
(Homepage)

Die letzte Nacht

Von Roberto Becker / Fotos von Wilfried Hösl

Allein schon, dass der Vorhang nach monatelanger Zwangspause in einem Opernhaus wieder hochgeht, ist ein Erfolg. Im Falle der jüngsten Premiere an der Bayerischen Staatsoper ist es zugleich ein Zeichen der Ermutigung für die Koproduktionspartner (Deutsche Oper Berlin, Maggio Musicale Fiorentino, Nationalopern Athen und Paris). Ob es allerdings wirklich gelingt, dass die Callas ihre sieben Bühnentode auch an den anderen europäischen Häusern stirbt, kann heute noch niemand mit Sicherheit sagen.

Zumal selbst die Behörden in München für ihr deutsches Spitzenopernhaus diesmal einen selbst opernreifen Prolog dazu inszenierten. Es war bis einen Tag vor der Premiere nicht klar, ob man für das 2100 fassende Haus bei der bayernweit geltenden Obergrenze von 200 Zuschauern im Raum bleibt - oder dabei flexibel auch die Größe des Hauses berücksichtigt. Und das, obwohl man die ermutigenden Erfahrungen der Salzburger Festspiele vor Augen hatte. Immerhin konnten dann am Premieren-Vormittag kurzfristig noch 300 weitere Karten freigegeben werden. Intendant Nikolaus Bachler hatte sich mit Verve für diese Flexibilität ins Zeug gelegt. Das Orchester seines Hauses freilich hielt sich bei dem via offenen Brief vorgetragenen Unmut anderer Münchner Orchester seltsamerweise diskret zurück. In Sachen Musikantenmut vor demokratisch besetzten Thronen kann man derzeit wohl in Österreich etwas lernen, wo die (Hoch-)Kultur offensichtlich nicht nur identitätsstiftend ist, sondern auch als "systemrelevant" betrachtet und behandelt wird.

Vergrößerung in neuem Fenster

Als Performerin ist Marina Abramović seit langem eine Marke und eine Klasse für sich. Sie war sogar schon mal ihr eigener Gegenstand. Vor acht Jahren in The Life and Death of Marina Abramović, das kein Geringerer als Robert Wilson in seine Bühnensprache über- und mit ihr in Szene gesetzt hat. Als Frau mit einem Händchen fürs Musiktheater hat die weltberühmte Serbin im Februar 2018 aber auch selbst die Latte der Erwartungen ziemlich hochgelegt. Da hat sie zusammen mit dem belgisch-marokkanischen Starchoreographen Sidi Larbi Cherkaoui aus Debussys Pelléas et Mélisande zu einem Gesamtkunstwerk der ganz eigenen Art gemacht. Abramović steuerte dabei die kongeniale Bühne bei, die mit einem universellen Ausblick spielte und doch aufs Innere gerichtet blieb. Bei ihrer jetzt in den Positionen Regie und Bühne verantworteten Hommage an Maria Callas ist aus diesem Team der Videokünstler Marco Bramillia mit von der Partie.

Marina Abramović hat mehrfach davon erzählt, wie sie von Jugend von Maria Callas fasziniert war. Dass das bei ihr früher oder später in einem Projekt für die Bühne münden würde, lag da wohl auf der Hand. Nikolaus Bachler ermöglichte ihr jetzt, dieses Herzensanliegen zu verwirklichen.

Foto

Die Musiker des Bayerischen Staatsorchesters saßen mit gebotenem Abstand und auf Parketthöhe vor der eigentlichen Bühne beisammen und schwelgten sich unter der eifrigen Leitung von Yoel Gamzou von einem Arienschmankerl zum nächsten. Auf der Bühne stand im Dämmerschein ein Bett, in dem Abramović als zum Tode hin leidende Maria Callas die Todesszenen der Traumrollen ihres Lebens imaginierte. Sieben Sängerinnen mussten sich so dem eigentlich undankbaren Wettbewerb mit der Erinnerung an die ja gut auf Tonträgern dokumentierten Zeugnisse der Callas stellen. Hera Hyesang Park mit dem "Addio del passato" der Violetta Valéry, Selene Zanetti mit dem "Vissi d'arte" der Tosca, Leah Hawkins mit Desdemonas "Ave Maria", Kiandra Howarth mit dem "Un bel dì vedremo" der Cio-Cio-San, Nadezhda Karyazina mit Carmens "Habanera" und Adela Zaharia mit Lucia Ashtons "Il dolce suono". Lauren Fagan trifft es am härtesten - denn Normas "Casta Diva" (geradezu das Markenzeichen der Callas) gab es in einer Aufnahme von 1954 als Schlusspunkt für den 90minütigen Abend im Original. Für die Musiker mag es prickelnd gewesen sein, die Callas live zu begleiten.

Vergrößerung in neuem Fenster

Der musikalische Hauptteil des Abends wurde mit der live produzierten Originalmusik von den Sängerinnen, die alle in ein unauffälliges Grau gekleidet waren, mehr oder weniger brav abgespult. Wie eine Nummernrevue. Ein "best of" für Einsteiger. Oder ein "Ach ja" für die Kenner. Der szenische Beitrag kam über die Videos, für die Nabil Elderkin die Regie übernommen hatte und bei denen in den assoziativen Annäherungen an die jeweiligen Bühnentode Hollywood-Legende Willem Defoe der Partner von Abramović war. Es hat durchaus einen eigenen ästhetischen Reiz, wenn Tosca nicht von der Engelsburg, sondern von einem Wolkenkratzer springt und wir das in Zeitlupe miterleben. Oder wenn sie als Desdemona eine gewaltige Riesenschlange um den Hals gelegt bekommt. Oder wenn sie Hand in Hand mit dem als Frau geschminkten Defoe als Norma auf den lodernden Scheiterhaufen zuschreitet. Oder auch der Tod der Butterfly in einem Japan, das man nach einem Vernichtungsschlag nur noch im Schutzanzug betreten kann. Wenn sich Abramović den aufreißt und ihre Brust entblößt, dann sinkt sie tot zu Boden.

Dazu gibt es immer wieder von ihr selbst sowie von Peter Skavlan stammende hinführenden Textfragmente und von ihrem Landsmann Marko Nikodijević neu und gegen das italienische Pathos ankomponierte Intermezzi. Bei all dem kann man für sich selbst durchaus einen gedanklichen Bogen zu dem, was man so über die Callas und ihre Lebenstragik weiß, schlagen. Man muss es aber nicht.

Foto

Deren realen der Ausnahmesängerin 1977 in Paris performt Abramović dann selbst. Eher ruhig und rituell, fast banal. Sie raunt, dass sie gleich das Bett verlässt - und tut es dann. Sie sagt, dass sie im Zimmer Schritte machen wird - und macht es dann. Wenn sie das Fenster aufreißt, dringt das lebendige Paris in einem Klangschwall herein. Lautstark mit Überwältigungsabsicht. Dann geht sie ins Bad, ist einfach weg, und die Putzkolonne (es sind die sieben Sopranistinnen) räumt auf und verhüllt Möbel und Spiegel im Sterbezimmer mit schwarzen Tüchern. Dann wird Marina zu Maria. Im goldenen Kleid an der Rampe vor geschlossenem Vorhang. Und die göttliche Stimme aus dem Off. Der Rest sind Schweigen und Unsterblichkeit.

FAZIT

Marina Abramovićs Hommage an Maria Callas ist vorhersehbar gebaut, hat starke Momente, aber mitunter eine zu geringe Distanz zum Kunstgewerbe.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Yoel Gamzou

Inszenierung und Bühne
Marina Abramović

Mitarbeit Regie
Lynsey Peisinger

Filmregie
Nabil Elderkin

Videos Intermezzo
Marco Brambilla

Sounddesign
Luka Kozlovacki

Konzeption Bühnenbild
Anna Schöttl

Licht
Urs Schönebaum

Chor
Stellario Fagone

Dramaturgie
Benedikt Stampfli



Extrachor der
Bayerischen Staatsoper

Bayerisches Staatsorchester


Solisten

Filmdarstellerin, Performerin, weibliche Stimme
Marina Abramović

Filmdarsteller, männliche Stimme
Willem Dafoe

Violetta Valéry
Hera Hyesang Park

Floria Tosca
Selene Zanetti

Desdemona
Leah Hawkins

Cio-Cio-San
Kiandra Howarth

Carmen
Nadezhda Karyazina

Lucia Ashton
Adela Zaharia

Norma
Lauren Fagan


Weitere
Informationen

erhalten Sie unter

 
Bayerische Staatsoper München
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2020 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -