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Musiktheater
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Songs For A New World

Musical in zwei Akten
Originalproduktion durch das WPA Theater, New York City, 1995 (Artistic Director: Kyle Renick)
Deutsch von Wolfgang Adenberg
Musik und Gesangstexte von Jason Robert Brown

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1h 25' (keine Pause)

Premiere  im Opernhaus Dortmund am 27. September 2020




Theater Dortmund
(Homepage)
Hoffen auf eine neue Welt

Von Thomas Molke / Fotos von Björn Hickmann (© Stage Picture)

Die Oper Dortmund gehört zu den Häusern, die im Bereich des Musicals normalerweise sehr große aufwändige Produktionen auffahren. Erinnert sei beispielsweise an Jekyll and Hyde in der letzten Spielzeit. Das ist natürlich in Zeiten von Corona nicht möglich, und man muss andere Wege gehen. Die Wahl ist dabei auf das Erstlingswerk des US-Amerikaners Jason Robert Brown gefallen, wobei es sich genau betrachtet um kein Musical im eigentlichen Sinne sondern eher einen theatralischen Liederzyklus oder eine Revue handelt: Songs For A New World. Die Uraufführung fand am 11. Oktober 1995 im WPA Theatre (Workshop of the Players Art Theatre) in New York City als Off-Broadway-Show statt und erfreut sich seitdem gerade bei kleineren Theatergruppen wegen der nicht so umfangreichen Besetzung großer Beliebtheit, auch wenn es stimmlich sehr anspruchsvoll ist. Die Deutschland-Premiere fand am 11. September 2006 in der ehemaligen Ladeluke 3 des Museumsschiffes Cap San Diego an der Überseebrücke im Hamburger Hafen anlässlich des fünfjährigen Jahrestages der New Yorker Anschläge statt. Wolfgang Adenberg fertigte eine deutsche Übersetzung an, die erstmals am 6. März 2010 im Rahmen des Kurt-Weill-Festes in Dessau zu erleben war. In Dortmund wird nun auch die deutsche Übersetzung gespielt.

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"Sterne und Mond": Die Frau (Bettina Mönch) entscheidet sich gegen die Liebe und Leidenschaft für den Mann mit Geld (Rob Pelzer).

In mehreren voneinander unabhängigen Szenen erzählt das Stück von den Ängsten und Träumen der Menschen auf der Suche nach einer neuen, einer besseren Welt. Am Anfang steht die Entdeckung Amerikas 1492. Auf einem spanischen Segelschiff treten zahlreiche Menschen den Weg in eine neue Welt an und kämpfen um ihr Überleben. In den folgenden Songs werden unterschiedliche Lebenssituationen gezeigt, in die die Menschen in dieser neuen Welt geraten sind. Dabei geht es zum einen um die Verwirklichung des "American Dream", der sich nicht so märchenhaft gestaltet, wie man es in den Erzählungen immer gehört hat. Zwei Männer resignieren in dem Song "Es sprudelt kein Fluss für mich", weil sie das Gefühl haben, dass Leistung und Engagement sich nicht auszahlen und sie erneut ihren Job verlieren. Ein anderer junger Mann träumt in "Der Dampfzug" von einer Karriere als Sportler, bis er schließlich doch bei Burger King landet. Eine Frau verzichtet in "Sterne und Mond" auf Liebe und Leidenschaft und entscheidet sich stattdessen für einen Mann mit Geld, was sie sehr schnell bereut.

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Die Braut (Sybille Lambrich) hat "nie Angst". Verliert sie deshalb ihren Bräutigam?

Andere Szenen richten das Augenmerk auf zwischenmenschliche Beziehungen. In "Nur ein Schritt" will eine Frau in einem Penthouse in der Park Avenue aus dem Fenster springen, um endlich von ihrem Mann geliebt und beachtet zu werden. Eine andere Frau schüchtert in "Ich hab nie Angst" ihre Umwelt derart ein, dass sogar ihr Bräutigam Reißaus nimmt. In "Sie weint" leidet ein Mann darunter, dass die Tränen seiner Frau ihn immer wieder daran hindern, einen Schlussstrich unter die kaputte Beziehung zu ziehen, und in "Das alles gäb ich her" erkennt ein Paar erst nach der Trennung, dass sie das wahre Glück nur beieinander hätten finden können. Neben diesen tragischen Geschichten gibt es hier als komisches Pendant den Song "Surabaya Santa" als Persiflage auf "Surabaya Johnny" von Kurt Weill. Die Frau von Santa Claus beklagt sich darüber, sich mit dem Weihnachtsmann eingelassen zu haben, da er sie zu Weihnachten nun immer allein lässt und wahrscheinlich dabei auch noch mit den Engeln betrügt.

Am Ende gibt es dann einen Sprung zurück in das Jahr 1775, den Beginn des Unabhängigkeitskrieges der USA. "Die Flaggenmacherin" wartet voller Sorge auf das Ende des Krieges und die Rückkehr eines amerikanischen Soldaten. Die folgende Szene deutet an, dass sie wahrscheinlich umsonst gewartet hat. In einem Krankenbett liegt ein Mann, der seinen Verletzungen erliegt und in "Ich fliege heim" seine Reise in ein neues Zuhause antritt. Damit wird der Bogen zum Beginn des Abends geschlagen. In "Hör mein Lied" macht man sich erneut auf den Weg in eine neue Welt. Es bleibt abzuwarten, ob sie dieses Mal eine bessere werden wird, eine Frage, die zur Zeit von Corona eine ganz neue beklemmende Aktualität erhält.

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Auf dem Schiff in eine neue Welt: von links: Sybille Lambrich, Rob Pelzer, David Jakobs und Bettina Mönch)

Gil Mehmert lässt in seiner Inszenierung die einzelnen Szenen fließend ineinander übergehen. Dazu hat er ein gewaltiges Gerüst auf der Bühne entworfen, das in mehreren Ebenen wie eine Brücke bespielt werden kann. Vor dem Gerüst befindet sich ein erhöhtes Podest, das einen Kompass darstellt, der die Suche nach der neuen Welt andeutet. Mit kleinen Veränderungen lässt sich blitzschnell aus diesem Podest ein Schiff bauen. Ein gewaltiges Segel wird dafür vor dem Gerüst herabgelassen. Nebelschwaden von rechts und links kennzeichnen den Weg in eine ungewisse Zukunft. Mit Sybille Lambrich, Bettina Mönch, David Jakobs und Rob Pelzer hat man vier großartige Musicaldarsteller engagiert, die den unterschiedlichen Charakteren der einzelnen Szenen Leben einhauchen. Mönch begeistert vor allem in "Surabaya Santa" mit exaltiertem Spiel und großartiger Komik, wenn sie dem Weihnachtsmann erzählt, dass sie nicht länger auf ihn warten wird. In "Sterne und Mond" gibt sie sich absolut mondän, wenn sie die Liebesbekundungen der Männer zurückweist und sich nur dem Geld hingibt. "Nur ein Schritt" steht zwar szenisch am Anfang, könnte aber die gleiche Frau aus der Szene "Sterne und Mond" ein paar Jahre später sein. Hier ertränkt sie ihren Frust im Alkohol und spielt gekonnt mit der Drohung, aus dem Fenster zu springen. Sybille Lambrich bewegt vor allem im "Wiegenlied zu Weihnacht", wenn sie als schwangere alleinstehende Frau in die Armut rutscht. Rob Pelzer überzeugt darstellerisch und stimmlich in den zahlreichen Rollen genauso wie David Jakobs. Allerdings scheinen die Stimmen für den unter Corona-Auflagen gefüllten Zuschauerraum ein wenig zu laut abgemischt zu sein. In den Ensembles sind die Solisten jedenfalls manchmal, obwohl sie auf Deutsch singen, nicht gut zu verstehen. Aber auch das schmälert den musikalischen Genuss nur geringfügig. Christoph JK Müller setzt mit den Mitgliedern der Dortmunder Philharmoniker den unterschiedlichen Genre-Mix in der Musik zwischen Jazz, Gospel, Swing und klassischem Musical-Sound bis hin zu Rhythm and Blues sicher um, so dass es für alle Beteiligten verdienten Applaus gibt.

FAZIT

Das Publikum erlebt in diesen knapp 90 Minuten eine bunte Mischung unterschiedlicher Stilrichtungen und einen großen Abend mit einem relativ kleinen Ensemble.

 

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christoph JK Müller

Regie und Bühne
Gil Mehmert

Kostüme
Falk Bauer

Choreographie
Jörn-Felix Alt

Licht
Ralph Jürgens

Dramaturgie
Laura Knoll

 

Mitglieder der Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

Frau 1
Sybille Lambrich

Frau 2
Bettina Mönch

Mann 1
David Jakobs

Mann 2
Rob Pelzer

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

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