Szene der Cosi-fan-tutte-Aufführung bei den Salzburger Festspielen
SF/Monika Rittershaus
„Cosi fan tutte“

Triumph der Frauen

„Cosi fan tutte“ – „So machen’s alle Frauen“: Wenn man das nicht auf den Inhalt der Mozart-Da-Ponte-Oper bezieht, sondern auf die Premiere bei den Salzburger Festspielen, dann ist das ein Statement, das man gerne unterschreibt. Denn mit Joana Mallwitz am Pult der Wiener Philharmoniker und sehr starken Solistinnen wurde die Produktion zu einem mit langem Jubel gefeierten Erfolg.

Die Oper überhaupt anzusetzen war eine spontane Entscheidung in einem Jahr, in dem ohnehin kaum etwas zu planen war. Trotzdem ist es gerade in der Oper höchst ungewöhnlich, eine ganze Produktion in nur wenigen Monaten von Grund auf neu aufzustellen. Christof Loy war ursprünglich dafür gebucht, „Boris Godunow“ von Modest Mussorgski zu inszenieren, quasi den Alptraum jedes Coronavirus-Beauftragten: Massenszenen, Dutzende Solisten, großes Orchester – und eine schwer zu kürzende Länge von über drei Stunden.

Als ein vergleichsweise reduziertes Kammerspiel mit einer kleinen Besetzung von sechs Solistinnen und Solisten bot „Cosi“ den Festspielen die Chance, neben „Elektra“ eine zweite szenische Oper ins Ausnahmeprogramm zu nehmen. Sowohl Loy als auch Mallwitz waren von früheren Arbeiten mit dem Werk gut vertraut – und sich nach eigenen Angaben schweren Herzens und doch schnell einig, wie man auf die erlaubte Maximallänge (Pausen sind heuer gestrichen, Clusterbildungsgefahr!) kommen könnte.

Leichtfüßiger Mozart, schlüssige Strichfassung

Der neue Fokus gibt den Frauenstimmen deutlich mehr Raum als den Männern, gestrichen wurde offensichtlich mit Fingerspitzengefühl – die nicht ganz zweieinhalb (statt drei) Stunden sind frisch, lebendig und auch inhaltlich schlüssig. Mallwitz – spät, aber doch die erste Frau in der Geschichte der Salzburger Festspiele, die eine szenische Opernpremiere leitete –, betont in ihrem Dirigat den frechen Mozart und lässt die Philharmoniker differenziert, leicht und zugleich berührend klingen. Sie gibt damit auch den Sängerinnen und Sängern viel Raum, den diese nutzen.

Szene aus „Cosi fan tutte“
Salzburger Festspiele/Monika Rittershaus
Hohe Räume, schwarz-weiße Ästhetik: Loys Inszenierung hält sich optisch wie inhaltlich fern von übertriebenem Klamauk

Zwei Türen, ein Baum

Den Raum gibt auch Regisseur Loy, einer der Arriviertesten seiner Disziplin, der Musik. Seine Inszenierung nimmt sich zurück und lässt der Musik den Vortritt. An sich nicht ungefährlich, schließlich ist die Bühne des großen Festspielhauses alles andere als der prädestinierte Ort für ein Kammerspiel. In der extrem reduzierten modernen Bühne von Johannes Leiacker und zeitgenössischen Kostümen von Barbara Dosihn funktioniert es aber tadellos und ohne Längen. Zwischen zwei hohen, weißen Türen im sonst bis auf einer kurze Baumsequenz leeren Raum geht das Werk der Frage nach, wie haltbar denn die Liebe wirklich ist, der man so gerne ein „Bis dass der Tod sie scheide“ zutrauen möchte.

TV-Hinweis

„Cosi fan tutte“ ist am Freitag um 20.15 Uhr in ORF2 und am 30. August um 21.30 Uhr in ORF III zu sehen. Danach steht die Aufzeichnung sieben Tage in tvthek.ORF.at zur Verfügung.

Guglielmo und Ferrando schwören auf die unverbrüchliche Treue ihrer zukünftigen Ehefrauen Fiordiligi und Dorabella – und müssen feststellen, dass diese in nur einem Tag abtrünnig werden würden (so viel zum Thema „schnelle Sprünge“ – in einer Oper, in der man sich binnen eines Tages umverliebt und anderweitig heiratet, darf man ruhig auch schneller schneiden).

Zwei Bühnenpaare, wie man sie sich wünschen mag

Die junge französisch-dänische Sopranistin Elsa Dreisig als geradezu ideal besetzte Fiordiligi wird wohl als Entdeckung der heurigen Festspiele gelten. Mezzo Marianne Crebassa, die in Salzburg bereits mehrfach begeisterte (etwa in der Titelrolle von „Charlotte Salomon“ 2014) als Dorabella komplettiert das schöne, witzige und moderne Schwesternpaar – beide überzeugen sowohl stimmlich als auch schauspielerisch. Bariton Andre Schuen (Guglielmo) und Tenor Bogdan Volkov (Ferrando) können mithalten und beweisen vor allem viel Spaß am komödiantischen Herumblödeln.

Szene aus „Cosi fan tutte“
Salzburger Festspiele/Monika Rittershaus
„Wir sind zwei wackere Kerle, stark und gut gebaut“ – Ferrando und Guglielmo („verkleidet“ als zwei Fremde) umwerben Dorabella

Don Alfonso (Johannes Martin Kränzle) ist nicht der Zyniker, als der er so oft dargestellt wird, sondern hier eher versierter Spielmacher, dessen Motivation eher im Unklaren gelassen wird. Ihm zur Seite steht die französisch-italienische Mezzosopranistin Lea Desandre als Kammermädchen Despina – sie sorgt für komödiantische Einlagen. „Ohne Liebe kann man leben, ohne Liebhaber nicht“, rät sie unbeschwert den verwirrten Damen vorzutäuschen, was nur geht, und schlüpft dann selbst in die Rolle des falschen Arztes und falschen Notars.

Hinweis

„Cosi fan tutte“ ist bei den Salzburger Festspielen noch am 5., 9., 12., 15. und 18. August im Großen Festspielhaus zu sehen.

Nicht im Bild und doch zu hören war zudem der wie immer präzise Wiener Staatsopernchor – den Coronavirus-Maßnahmen geschuldet hatte er seinen Auftritt erst zum Applaus, gesungen wurde hinter der Bühne. Auch das blieb inhaltlich nicht unlogisch, Soldatenchor und Hochzeitsjubelgesang funktionieren problemlos auch aus dem Off.

Letztlich ist mit der extrem kurzfristig geplanten „Cosi fan tutte“ ein Wagnis aufgegangen – nicht zuletzt aufgrund einer geglückten Konstellation im Führungsteam und der Besetzung. Und wie es im (nicht gestrichenen) Finale so schön heißt: „Glücklich der Mensch, der jede Sache von der guten Seite nimmt“ – im Sommer 2020 eigentlich auch ganz generell nicht unpassend.