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Kritik – "Salome" am Theater an der Wien Ein Wechselbad der Gefühle

Am 18. Januar hatte Richard Strauss' "Salome" am Theater an der Wien in der Inszenierung von Nikolaus Habjan Premiere. Habjan hat sich im Genre des Puppentheaters einen Namen gemacht, und ganz ohne Puppen kommt auch seine "Salome" nicht aus. Allerdings wirkt die Interaktion zwischen Menschen und Puppen ziemlich beliebig – sollte es ein Konzept geben, wird es nicht recht deutlich.

Salome Theater an der Wien 2020 | Bildquelle: Werner Kmetitsch

Bildquelle: Werner Kmetitsch

Die Kritik zum Anhören

Düster und schwül geht es an diesem Abend im Theater an der Wien zu. Auffällig kostümierte Soldateska stehen oder kauern herum, irgendwann sinken die Statisten zu Boden, vermutlich liegt es an Salomes unbändiger Energie, die den anderen selbige raubt. Salome wird gespielt, gesungen, durchlebt von Marlis Petersen. Schon in der Münchner Produktion von Krzysztof Warlikowski überzeugte sie als sinnlich-ungebändigtes Energiepaket, in Wien erlebt man nun ein wunderbares Déjà-vu und Deja-écouté. Marlis Petersen ist das Kraftzentrum dieser Premiere, wobei sie neben den üblichen Aufgaben einer Spitzensängerin auch noch recht Ungewöhnliches zu tun hat.

Puppen-Doubles

Salome Theater an der Wien 2020 | Bildquelle: Werner Kmetitsch Salome Theater an der Wien 2020 – Marlis Petersen als Salome | Bildquelle: Werner Kmetitsch Sie bedient immer wieder eine Klappmaulpuppe, die ihr Nikolaus Habjan zur Seite stellt. Salome Nummer zwei ist mal ein reines Double, mal Gegenüber, einmal sogar Sexualpartnerin, da verrenken sich die beiden Damen dann ekstatisch-exaltiert ineinander. Durch die zusätzliche Puppen-Protagonistin ergeben sich viele Möglichkeiten, etwa eine kleine Liebelei mit Narraboth, während die "echte" Salome anderen den Kopf verdreht. Jochanaan verliert den seinen am Ende, und auch sonst ist fast alles sehr librettogetreu inszeniert: Alle zentralen Szenen und Figurenkonstellationen erzählt Habjan klar und schlackenlos in einem ungemütlichen Raum mit verwelkten Blüten auf dem Boden und dekadenten Figuren in einem oft durch Gazevorhänge halb verborgenen Salon.

Unterernährte Jesus-Figur

Jochanaan besitzt ebenfalls ein Double, welches ihm indes nicht sehr ähnelt, sondern eher wie eine unterernährte Jesus-Figur aussieht. Leider beginnen hier einige Unklarheiten, die Interaktion zwischen Menschen und Puppen wirkt im Laufe des Abends zunehmend beliebig. Man hat den Eindruck, dass es im Regiebuch ein genaues, tiefenpsychologisches Konzept gibt, wer sich wann wo und warum verdoppelt, spiegelt, verwandelt, doch vermittelt sich das nur teilweise. Stark und stimmig ist die Führung der zentralen Protagonisten, doch bei den kleineren Partien wirkt manches eher verstolpert, das berühmt-berüchtigte Judenquintett etwa wird zur arg peinlichen Slapstick-Nummer. Auf der Haben-Seite stehen tolle Licht- und Raumwirkungen.

Nur 59 Musiker

Salome Theater an der Wien 2020 | Bildquelle: Werner Kmetitsch Salome Theater an der Wien 2020 – Szenenfoto | Bildquelle: Werner Kmetitsch Neben Marlis Petersen sorgen Johan Reuter als Jochaanan und Martin Mitterrutzner als Narraboth für vokale Glanzpunkte, Michaela Schuster gibt eine düster verschattete Herodias, John Daszak einen leicht übersteuerten Herodes. Am Pult des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien steht Leo Hussain, zu hören gibt es viele schöne Farben und dynamische Entwicklungen, jedoch auch grenzwertige Dezibel-Attacken. Fürs eher kleine Theater an der Wien hat der Dirigent und Komponist Eberhard Kloke eine reduzierte Fassung erstellt. Statt über 100 Musiker sitzen nun 59 im Graben, doch dank Instrumenten aus dem Wagner-Klangkosmos wie Heckelphon, Tuba und weiterem Blech knallt die Sache zu gewaltig. Ein Wechselbad der Gefühle für alle diesseits und jenseits der Bühne.

Sendung: Allegro am 20. Januar ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Die Wiener "Salome"

Informationen zu Terminen, Besetzung und Vorverkauf erhalten Sie auf der Homepage des Theaters an der Wien.

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Dienstag, 21.Januar, 20:00 Uhr

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