Piotr Beczala (als Jontek) beschützt Halka (Corinne Winters), die das Brautkleid an sich gerissen hat, das ihr nicht gehört.

Foto: Monika Rittershaus

Der Oberkellner umkreist das von ihm mitbediente Hotelfest mit skeptischer Miene und geballter Faust. Zwischendurch raucht er das eine oder andere Zigarettchen; Ruhe will ihn jedoch nicht überkommen. Einer wie er, da er Tenor ist, erfreut sich in Opern zumeist der damenhaften Zuneigung. Jontek aber ist hier chancenlos. Fürsorglich umschwirrt er Halka. Sie jedoch hat den Bassbariton, also Janusz, erwählt, dessen Kind in ihr wächst. Janusz allerdings plant den sozialen Aufstieg per Heirat – mit Zofia. Alles Tragödie.

Regisseur Mariusz Trelinski hat im Theater an der Wien denn auch in diesem "Hotel zum ausgestopften Bären" eine gruselige Party inszeniert. Durch permanente Drehbühneneffekte wird nicht nur der Glanz der ausgelassenen Feiergruppe offensichtlich. Auch das Schuften im Personalbereich wird abgebildet, und dann verschwimmen plötzlich alle Sphären: Als würde sich das Geschehen in Janusz’ schuldbeladenem Kopf abspielen, wechseln die Festglanzmomente traumartig mit jenen seiner Schuld. Der Bräutigam in spe wirkt, als wäre er in einer Angstblase aus Vergangenheit und Gegenwart gefangen. Er durchlebt innige Betrugsmomente mit Halka, um Sekunde später den heiratenden Partylöwen zu geben.

Schummrig, düster

Die Stimmung hat etwas von jener magischen Uneindeutigkeit der Filme David Lynchs: Das hierzulande noch eher unbekannte Werk von Stanislaw Moniuszko aus dem Jahr 1858 ist in die 1970er gebeamt worden. Es landet im kommunistischen Polen der offiziell aufgehobenen sozialen Ungleichheit, wobei die realen Verhältnisse weiter hierarchisch quälen. Der Zeitsprung war eine produktive Idee: Halka, gleichsam die polnische Nationaloper, wäre mit Mitteln eines folkloristischen Milieus schwer zu vermitteln gewesen. Mit dem Jahrhundertsprung und der präzisen Charakterzeichnung gewinnt das Opus aber an Dringlichkeit. Und: Die albtraumhafte, surreale Tönung verleiht zusätzliche Dramatik.

Harte Kontraste werden gesetzt: Während die blonde Braut Zofia sich in Vorfreude wegtanzt, sinniert sich Halka blutend und schließlich ihr Kind verlierend in Richtung Umnachtung. Janusz, der sie "entsorgt" hat, landet wiederum in einer konfrontativen Situation nicht nur mit Tenor Jontek. Auch das gesamte Umfeld begehrt kurz auf.

Doch bahnt sich hier ein Tumult an, baut die Regie gerne Zeitlupenszenenszenen ein oder lässt das Geschehen skulptural innehalten, um die emotionalen Prägungen einer Figur zu betonen. Es sind dies szenischen Volten, die eine durchdachte und konzentrierte Arbeit belegen, die im Vokalen einen Glanzpunkt präsentiert.

Rollengerechter Ton

Der polnische Star Piotr Beczala (als Kellner Jontek) verbreitet schwermütigen Charme. Er besingt Verbitterung und Wut wie auch Halkas Tragik mit einer gleichermaßen edlen wie rollengerechten Timbrierung. Wieder einmal Weltklasse – diese Oper ist dem Tenor wohl ein sehr persönliches Anliegen.

Die Kollegenschaft hat es nicht leicht, da mitzuhalten: Den innerlich zerrissenen Janusz erweckt Tomasz Konieczny vokal mit etwas eindimensionaler Inbrunst, szenisch jedoch durchdringend. Hingebungsvoll wirft sich Corinne Winters in die Rolle der Halka und meistert die heikle Partie immerhin respektabel. Etwas schrill Natalia Kawalek als Zofia, deftig Alexey Tikhomirov als Brautvater Stolnik, der sich gerne horizontal mit dem Hotelpersonal vergnügt.

Das RSO Wien wird von Dirigent Lukasz Borowicz solide durch die süffige Musik geführt, die vor allem im Melancholischen Qualität aufweist. In expressiven Momenten wird es etwas heftig. Mit Fortdauer der Tragödie jedoch verschwinden die akustischen Orchesterdetonationen. (Ljubiša Tošic, 16.12.2019)