Nicht, dass die "Meistersinger" irgendetwas mit der Rheinischen Karnevalskultur zu tun hätten. Aber wenn der Schuster Hans Sachs, der zugleich als Meister der Poeterei gilt, mit dem Hammer auf die Ahle schlägt und damit sowohl den Takt gibt als auch die Fehler im Vortrag des pedantischen Kollegen Sixtus Beckmesser markiert, dann ist da eindeutig Ironie am Werk. Am Ende - darauf legt Wagner wohl wert - unterwirft sich der rebellisch-emotionale Junggesell Walther von Stolzing dann doch den ausgewiesenen Meistern der Sängerzunft.

Regisseur Jens-Daniel Herzog geht einen Schritt weiter - ganz am Schluss pfeifen die Jung-Verliebten dann doch auf den Kniefall, zertrümmern die Meisterurkunde und machen sich selbstständig. Sogar der deutsche Humor ist also lernfähig. Alles in allem aber überschreitet der Regisseur keine Grenzen. Er riskiert nicht allzu viel, die Handlung ist bunt illustriert und mit dem einen oder anderen lauwarmen Gag aufgemöbelt: Alles in allem eine Art "Otto-Normal-Wagner". Aber immerhin, das Bühnenpersonal spielt mit- und zueinander und bringt die Handlung trotz des unglaublich sperrigen Textes gut über die Rampe.

Bühnenbildner Mathis Neidhardt und Kostümbildnerin Sibylle Gädeke siedeln die Geschichte in einem ästhetischen Niemandsland an. Es gibt neoklassizistische Bauteile genauso wie die traditionelle deutsche "Land-Kultur" und moderne Elemente. Manchmal tauchen die Helden in historischem Gewand der Handwerkergilden auf, dann wieder im weißen Dinnerjacket oder in unauffälligen Alltagsklamotten, die vom Modediskonter an der Ecke stammen könnten.

Maßgeblich verantwortlich für den einhelligen Jubel nach fast sechs Stunden Oper waren Dirigent Christian Thielemann, die Sächsische Staatskapelle und der Staatsopernchor aus Dresden, der Bachchor Salzburg und die Solisten. Der Dirigent deckt die Sänger wirklich kein einziges Mal zu, selbst in technisch ungünstigen Lagen bleibt die Gesangslinie transparent. Die Tempi sind organisch, der Orchesterklang eher defensiv, aber alles in allem eine sängerfreundliche und musikalisch feine Arbeit der Musiker und Sänger.

Georg Zeppenfeld als Hans Sachs stemmt diese große Rolle solide, seriös und ohne Makel. Anders Klaus Florian Vogt als Walther von Stolzing: Der Schmelz in seinem Tenor ist umwerfend, den operettenhaften Kitsch im "Prüfungslied" erwischt er teilweise zum Hinknien schön. Teilweise, denn dann gibt es leider auch - und das ist keine Beckmesserei - echte Intonationsfehler. Jacquelyn Wagner als Eva und Sebastian Kohlhepp als David erweisen sich als festspielwürdige Besetzung, ebenso Christa Mayer als Magdalene, Vitalij Kowaljow als Veit Pogner, Adrian Eröd als Beckmesser sowie die meisten anderen Meistersinger. Fazit: eine gute, zurecht beklatschte Festspielproduktion. In die Operngeschichte eingehen wird sie aber ganz sicher nicht.