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„Così fan tutte“ in Nürnberg: Ein bisschen Spaß muss sein

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Du willst es doch auch: Guglielmo (Denis Milo, v.li.), Dorabella (Amira Elmadfa), Fiordiligi (Julia Grüter) und Ferrando (Martin Platz, beobachtet von Alfonso (Wonyong Kang) und Despina (Andromahi Raptis).
Du willst es doch auch: Guglielmo (Denis Milo, v.li.), Dorabella (Amira Elmadfa), Fiordiligi (Julia Grüter) und Ferrando (Martin Platz, beobachtet von Alfonso (Wonyong Kang) und Despina (Andromahi Raptis). © Foto: Ludwig Olah

Charme-Offensive statt Tiefenpsychologie: Hausherr Jens-Daniel Herzog inszeniert „Così fan tutte“ am Staatstheater Nürnberg

Nürnberg - Gut, man könnte sich wie andere die Zähne daran ausbeißen. Oder man legt die Nuss beiseite und nimmt sie eben so, wie sie ist. Natürlich ist das alles vollkommen unglaubwürdig: dass zwei Kerle auf eine Wette hin über Kreuz die Gespielin des anderen verführen und die Damen nichts merken. Furchtbar viel Psychoanalytisches, Gesellschaftskritisches ließe sich daraus destillieren – oder einfach nur Spaß. So wie am Staatstheater Nürnberg, wo der neue Hausherr Jens-Daniel Herzog seine Dortmunder Version von Mozarts „Così fan tutte“ überarbeitet hat. Ein Labor der Gefühle, keine reale Handlung, augenzwinkert es in der Premiere. Herzog ist da in guter Regie-Gesellschaft.

So auf Lacher ist der Abend aus, dass der erste Akt bis in den Klamauk überdreht. Die Idee fürs Experiment kommt den Machos auf einem Get-Together irgendeiner Firma. Ferrando und Guglielmo kehren dann als Gangsta-Rapper zu den Bräuten zurück, die – und jetzt kommt das Konzept – in einem goldenen Zimmer wohnen, das auf die Bühne gefahren wird. Ein sicherer Hort, der später wie zu einer Befreiung verlassen wird. Herzog bietet da mit Ausstatter Mathis Neidhardt eine Variante des alten Theater-auf-dem-Theater-Spiels. Das Irreale der Situation soll dies wohl vorführen, erklärt wird es letztlich nicht ganz, zu unklar sind die Welten voneinander geschieden.

Ohnehin versendet sich die Idee nach der Pause, wenn die Aufführung aus dem Ulk erwacht und alles intensiver, tiefer, wahrhaftiger wird. Herzog ist da im situativen Beobachten, im Schildern von emotionalen Ausnahmezuständen plausibler als im alles überwölbenden Gedankenbogen. Wenn die Damen ihren Geliebten schnell noch eine Tupperware-Jause in den (vorgeblichen) Krieg mitgeben, wenn sich die plötzlich wankelmütige Fiordiligi mit den gerahmten Bildern ihres Bräutigams wie als Schutz umstellt, wenn das geziert-formelle Umkreisen der „falschen“ Partner umschlägt in echte Zuneigung, dann ist das so klug wie vielsagend choreografiert. Herzog, das merkt man in solchen Momenten, kennt die legendäre Münchner „Così“ seines Lehrmeisters Dieter Dorn.

Drei kurzweilige Stunden

Das Beste aber ist: Der Regisseur vertraut auf sein charmeoffensives Ensemble. Egal, ob die Ideen nicht ganz zu Ende gedacht sind – es macht enormen Spaß, diese sechs Solisten drei kurzweilige Stunden lang zu verfolgen. Julia Grüter singspielt als Fiordiligi in der obersten Mozart-Liga. Ausgeglichene Stimme trotz gefordertem Riesenumfang, Lyrik, Stabilität, Geläufigkeit, ein unverschleiertes Timbre: alles da. Ähnlich Denis Milo, der den Guglielmo als spätpubertären Faun und mit weich gefasstem, raumgreifendem Bariton gibt. Amira Elmadfa ist eine mädchenhafte, wohltuend undramatische, mit vielen kleinen Nuancen operierende Dorabella. Die Despina von Andromahi Raptis ist kein spitzstimmiges Biest, sondern eine vokaljonglierende Intrigantin, die vom jugendlich-virilen Don Alfonso (Wynyong Kang) gern begrapscht wird. Martin Platz hat sich die heikle Ferrando-Partie stilsicher zurechtgelegt. Wer die Übertitel mitliest, bekommt eine freche Neuübersetzung und damit zusätzliche Lach--Gelegenheiten – auch wenn die Scherze manchmal mit der Delikatesse von Textdichter Lorenzo da Ponte wenig zu tun haben.

Im Graben tönt die Staatsphilharmonie Nürnberg, als habe sie in den vergangenen Wochen ein Alte-Musik-Training durchlaufen. Dirigent Lutz de Veer hat das moderne Instrumentarium um historische Trompeten und Pauken ergänzt. Viel Struktur, borstige, reichhaltige Klänge, gegenläufige Entwicklungen und Pointen hört man. Ein Mozart-Swing, der nie ins Verhetzte getrieben wird. Auch wenn Chefdirigentin Joana Mallwitz nicht am Pult steht, glänzen die Nürnberger also mit musikalischer Qualität. Noch so eine Erfahrung in dieser ersten Saison einer neuen Zeitrechnung.

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