Kritik:Bummeln auf High Heels

Die Operette "Ball im Savoy" am Staatstheater Nürnberg

Von Klaus Kalchschmid, Nürnberg

"Im Opernhaus gewesen. Viel gelacht", könnte man Franz Kafkas immer wieder zitierten Tagebuch-Eintrag "Im Kino gewesen. Geweint" paraphrasieren. Denn Paul Abrahams Jazz-Operette "Ball im Savoy" war am Staatstheater Nürnberg das pure Vergnügen! In Timing wie Tempo des dialogischen Brillantfeuerwerks, musikalisch mit all den zündenden Melodien wie "Es ist so schön, am Abend bummeln zu gehen", sängerisch und tänzerisch mit acht furiosen Männern, die unter anderem als feurige Spanier wie als halbnackte Haremsdamen Furore machten.

Regisseur Stefan Huber hatte vor ein paar Jahren an der Komischen Oper in Berlin Nico Dostals "Cliva" zu einem mit Recht bejubelten Revival verholfen. Jetzt konn-te er auf der variablen Bühne von Timo Dentler und Okarina Peter mit den Prota-gonisten von damals - Tobias Bonn, Chris-toph Marti und Andreja Schneider - wieder einen rauschenden Erfolg feiern: Bonn istz diesmal der frisch von der Hochzeitsreise zurückgekehrte, keineswegs gezähmte Marquis Aristide de Faublas; Marti (alias Ursli Pfister) die Jazzkomponistin Daisy Parker, die auf dem Ball im Savoy ihr männ-liches Inkognito José Pasadoble lüftet; und Schneider (alias Frl. Schneider, ebenfalls von den Musikkabarettisten Geschwister Pfister) verkörpert Mustapha Bei, Attaché bei der türkischen Gesandtschaft, mit seinen sechs Ex-Frauen.

Schon das Cross-Dressing sorgte für großen Effekt. Denn so schön über die Bühne stöckeln und mit dem Hintern wackeln, auf High Heels perfekt tanzen und baritonal girren und säuseln als Imagination des perfekten weiblichen Klischées kann wohl kaum einer besser als Christoph Marti. Auch Fr. Schneider agiert wunderbar schmierig, faselt immer wieder grenzdebil von "große Sache, eine ganz große Sache", aber gibt auch so herrlich albern türkisches Kauderwelsch von sich, dass man fast vergisst, wie ironisch die trefflichen Kostüme von Heike Seidler funktionieren.

Und doch steckt ein wenig Sprengstoff in dieser 1932 in Berlin uraufgeführten Operette, denn als Madeleine (eine feine Operettendiva: Frederike Haas) ihren Mann Aristide beim vermeintlichen Stelldichein mit La Tangolita (Andromahi Paptis) auf dem Ball beobachtet, rächt sie sich und trifft einen jungen Mann, der sie nur anhimmelt. Cem Lukas Yeginer spielt das ebenso schüchtern wie selbstbewusst, ist auch eine wunderbare Modedesignerin und mimt am Ende einen letztlich überflüssigen Scheidungsanwalt. Doch noch auf dem Ball bezeichnet Madeleine das fälschlich als Seitensprung und Revanche für ihren untreuen Gatten, was einen Erdrutsch in der Presse zur Folge hat.

Natürlich löst sich am Ende alles in Wohlgefallen auf, und noch einmal wird mit Begleitung der Staatsphilharmonie Nürnberg unter Volker Hiemeyer, die fast den ganzen Abend, per Lautsprecher übertragen, unsichtbar auf der Hinterbühne spielte, gemeinschaftlich getanzt und gesungen: "Es ist so schön, am Abend bummeln zu gehen."

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