"Stille Nacht" made in Hollywood, kann das gut gehen? Diese Frage hielt Salzburg vor der Uraufführung von "Meine Stille Nacht" in Atem. Das Landestheater beauftragte anlässlich des 200-Jahr-Jubiläums Filmkomponist John Debney und Autorin Hannah Friedman mit einem Musical. Herausgekommen ist ein Werk für die Felsenreitschule, das die Friedensbotschaft vermitteln und ein bisschen politisch sein will.

Die Salzburger sind abgehärtet wenn es darum geht, ihre Geschichte von amerikanischer Hand weiterverarbeiten zu lassen. Auch für das Salzburger Landestheater war "The Sound of Music" ein zuverlässiges Zugpferd, wenn es darum ging, vor ausverkauftem Haus zu spielen. Nun soll also "Stille Nacht" vor den Karren gespannt werden.

Zweieinhalb Jahre Entwicklungszeit hat der Jubiläumsbeitrag des Landestheaters in Anspruch genommen und kann vor allem mit großen Namen aufwarten. John Debney hat Blockbuster wie "Iron Man 2" oder "Die Passion Christi" vertont und jetzt auch "Stille Nacht", die Texte entstammen mit Siedah Garrett der Feder einer Duettpartnerin von Michael Jackson ("I just can't stop loving you"), und Autorin Hannah Friedman schrieb außer "Meine Stille Nacht" TV-Drehbücher für ABC, oder den Streaminganbieter Netflix.

Das berühmteste Weihnachtslied

Vermutlich gibt es bei den Hollywoodpartnern kein Mitglied, das nicht irgendwo zumindest einen Emmy herumstehen hat. Aber können solche Namen überhaupt erspüren, was das berühmteste Weihnachtslied der Welt für Salzburg bedeutet? Ja, sie können!

Mit der Hilfe von Regisseur Andreas Gergen und Intendant Carl Philip von Maldeghem, die in intensiver Vorbereitung für Workshops in die Staaten flogen und das Hollywoodteam schließlich nach Salzburg holten. Und schließlich geht es inhaltlich nicht um die Entstehungsgeschichte, sondern um die Friedensbotschaft, die das Lied verbreitet. "Tradition gegen Moderne", so ein weiteres Kernthema des Auftragsmusicals. Auch eine rührselige Liebesgeschichte darf nicht fehlen, da kann die Autorin ihre Hollywoodschule nicht leugnen.

Der Amerikaner Justin such nach vielen Jahren seine Jugendliebe Elisabeth, eine Salzburgerin, die er als Teenager dank eines Schüleraustausches kennenlernte. Die ist mittlerweile für das Salzburger "Christmas Festival" zuständig und möchte diese traditionelle Veranstaltung von ihrem Staub befreien. Außerdem soll sie den Konzertmanager Hans Brunner heiraten, weil ihre Mutter das für eine gute Partie hält, und der Bösewicht in amerikanischen Filmen meistens Hans heißt, da bleibt man der Tradition doch treu.

Die feine Salzburger Gesellschaft

Dank ein paar Zufällen kommen Justin und Elisabeth sich durch ein Bandprojekt näher, das sie gemeinsam mit sechs Kindern auf die Beine stellen, die alle Außenseiter der feinen Salzburger Gesellschaft sind, diese am Ende aber im Sturm erobern. Sie alle bilden aktuelle, politische und gesellschaftliche Problematiken ab.

Die Geschwister Mira und Amal die Bettelproblematik, der Schlagzeuger Dom steht stellvertretend für die Flüchtlinge und der junge Ausreißer Sam zeigt, dass man mit dem entsprechend schlechten Alkoholikerhintergrund auch als Staatsbürger im eigenen Land unerwünscht sein kann. Die Stadt Salzburg kommt bei all dem nicht gut weg, nicht umsonst trägt ein Song den Titel "Nicht in Salzburg", welcher suggeriert, dass man in Salzburg nicht über den Tellerrand schaut, Fortschritt verschmäht und am liebsten unter sich bleibt.

Am Ende überwiegen die großen Showelemente, was nicht zuletzt an der Ensemblestärke von rund 120 Beteiligten liegt. Vor der Kulisse mehrerer großer Leinwände, auf denen die aufwendig produzierten Videoanimationen von Fettfilm laufen, finden Revuen statt, in die Gergen viele raffinierte Details einbaut, wie eine Reihe Passanten, die von Aufstellung und Kleidung stark an die Trapp Familie erinnert.

Optimale Besetzung

Auch die Größe der Choreografien (Kim Duddy) braucht sich keinesfalls hinter der Größe von Debneys Komposition verstecken. Die ist Musical durch und durch. Das Mozarteumorchester unter der Leitung von Robin Davis entwickelt schnell großen Spaß an dieser filmischen Art von Musik und nimmt bis zum Schluss immer mehr an Fahrt auf. "Stille Nacht" selbst taucht erst zum Schluss auf, wachsame Ohren hören aber immer wieder passend gesetzte Zitate in den insgesamt 26 Nummern. Mit Milica Jovanovic und Dominik Hees in den Hauptrollen ist eine optimale Besetzung gelungen, die zeigt, dass das Genre Musical auch im deutschsprachigen Raum mit echten Größen aufwarten kann und insgesamt kann man dem Ensemble und dem Chor nur Rosen streuen.

Das Kunststück ist gelungen. Auch, wenn das Musical in der Geschichte die ein oder andere Schwäche zeigt und man über die Stärke der politischen Aussagekraft des Stückes diskutieren kann, das Publikum in der Felsenreitschule ist aus dem Häuschen und man hat nach knapp drei Stunden gut gemachter Unterhaltung schon große Lust auf Weihnachten in Salzburg.

Service: Infos über weitere Aufführungen unter:
www.salzburger-landestheater.at