Baumschule für die heilige Eiche

Bis zum Selbstopfer kämpft sie um die Liebe: Miriam Clark als Norma in Mannheim.Foto: Hans Jörg Michel  Foto: Hans Jörg Michel
© Foto: Hans Jörg Michel

Vincenzo Bellini hielt „Norma“ für seine beste Oper. Die heutigen Liebhaber des klassischen Belcanto dürften das unterschreiben. Allein mit der Auftrittscavatine „Casta...

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MANNHEIM. Vincenzo Bellini hielt „Norma“ für seine beste Oper. Die heutigen Liebhaber des klassischen Belcanto dürften das unterschreiben. Allein mit der Auftrittscavatine „Casta diva“ bringen gute Soprane das Publikum zu frenetischem Applaus.

Ganz so ausgelassen wurde es bei der Premiere am Samstag im Mannheimer Nationaltheater nicht. Dabei hatte das Haus mit Miriam Clark einen schönen Trumpf im Ärmel. Die Amerikanerin hat die Partie schon mehrfach gesungen. Technisch macht sie alles richtig, überzeugt durch feine Nuancen; außerordentlich ist sie nicht. Da wären wir auch schon bei der Regie von Markus Bothe und seinen Ausstattern Robert Schweer (Bühne) und Justina Klimczyk (Kostüme). Die haben manches richtig gemacht, am Ende aber so ziemlich alles falsch. In diesem grau in grauen Einerlei wirkt das Drama wie aufgesetzt.

Konflikte, in sich stimmige Charaktere und glaubwürdige Emotionen können sich nur mühsam entfalten, zumal die Kostüme von schon wieder faszinierender Hässlichkeit sind. Die gegen die römischen Besatzer aufmuckenden Gallier stecken in grauen Kitteln, die ungefähr die Mitte halten zwischen Erster-Weltkrieg-Uniform und Gefängniskleidung. Pollione (der flach und neutral klingende Irakli Kakhidze) ersticht im ersten Bild noch schnell einen Gallier, bevor er unbehelligt auf feindlichem Gebiet herumspazieren kann. Normas vom Orchester präzise vorbereiteter Auftritt fällt aus. Die durch ein schlecht sitzendes Abend-oder Brautkleid verunstaltete Titelheldin kommt einfach so auf die Bühne. Dort sehen wir eine riesige Eiche, deren Krone vom Bühnenrahmen gekappt wird. Drumherum haben die Gallier Sandsäcke aufgetürmt. Soll wohl eine Stellung sein. Normas über eine Falle erreichbares Versteck liegt unter der Eiche und scheint eine Pflanzschule für den Baumnachwuchs zu sein.

Sanfte Töne für die Mordlust

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Bothes Intention ist schnell begriffen. Es geht um kulturelle Differenz, um Macht und jene im Text aufbrechende Mordlust, die so seltsam quer zu Bellinis sanft-genialer Musik zu stehen scheint. Die ihr Keuschheitsgelübde brechende Priesterin Norma kämpft vergeblich bis zum Selbstopfer für ihre Liebe, die zwischen Pflicht und Neigung hin- und her gerissene Rivalin Adalgisa (von Julia Faylenbogen mit jugendlichem Elan gesungen) verschwindet aus dem Plot. Am Ende, Norma ist gerade in den Armen des reumütigen Liebhabers kollabiert, kippt die heilige Eiche einfach seitlich um, mit welchem Einfall die Regie uns das Ende des gallischen Wertesystems suggeriert, das ihr Anführer Oroveso (Sung Ha, leider kein Basso cantante) auch nicht aufhalten wird. Das Schicksal von Normas Kindern: Ungewiss.

Der schon aus Platzmangel zum Herumstehen verdonnerte Chor tut das Seine, das Orchester unter Benjamin Reiners sorgt für einen lockeren Soundtrack; ein bisschen mehr Temperament und Feuer hätten der Neuproduktion allerdings gut getan.