Essen. . Lauter böse Clowns, aber eine handwerklich sehr mäßige Inszenierung. „Rigoletto“ am Aalto ist kein großer Abend. Und der Tenor scheitert tragisch.

  • Am Aalto Theater hatte Samstag Verdis berühmte Oper Rigoletto Premiere.
  • Das Konzept spielt in der Gegenwart, zwischen Management und Clownerie.
  • Sängerisch enttäuschen vor allem die beiden männlichen Hauptrollen.

Als letzten Samstag, so gegen 20.40 Uhr der 27. Luftballon auf der Aalto-Bühne zum Platzen gebracht wurde, da war gewiss, was sich früh andeutete: kein Knaller, der neue „Rigoletto“. Wie es eben ist, wenn ein Regisseur sich auf sehr wenige Symbole verlässt: Ist er kein Genie, geht ihm die Puste aus.

So auch hier: Frank Hilbrich setzt ganz auf Killerclowns und Luftballons. Verdis Meisteroper vom Hofnarren, auf den das Schicksal schwarze Galle regnen lässt, will er als doppelt- bis dreifach grundiertes Spiel der Maskerade erzählen. Böse sind alle, man muss ihnen nur eine Bühne geben. Schon bei Hofe verstehen sie Spaß: Wer es bei Rigolettos Dienstherrn krachen lässt, sollte zur Orgie die Glatzenperücke im Managerkoffer haben. Und also rollt das recht Naheliegende (Pennywise/Joker) der Dekadenz-Ballade zwischen Business-Zwirn und Zirkuskoffer ab.

„Rigoletto“ ist ein Narr zwischen Managern - die freuen sich an frivolem Tingeltangel

Das wäre ein denkbarer Zugriff am zuletzt (vom „Lohengrin“ abgesehen) nicht allzu erfolgsverwöhnten Haus. Aber der große Wurf will sich nicht einstellen. Peinsam bieder im Ausstellen frivolen Tingeltangels (natürlich sind die Schlangenballons Genitalien, die runden sind Brüste) führt Hilbrich die Managertruppe am Hof des Herzogs. Austauschbar ist Volker Thielens Bühnenzentrum. Dieses glänzendschwarze Riesenscharnier mit seinen rotierenden Türen taugt von der „Traviata“ bis zu Mozarts „Don“ für alles. Und dann wirkt vieles unfertig. Es knirschen und knacken bei der Premiere Bühnenbild und Umbauten, es wird kräftig hineinsouffliert, die Lichtregie hat seltsame Schwankungen.

Verdis Oper ist am Aalto-Theater ein inszeniertes Gegenwartsverbrechen

Es ist auf der Bühne wenig zu sehen, was einen all das vergessen ließe. Ein „Thriller“ war angekündigt, ein Krimi wäre nett gewesen, ein graues Gegenwartsverbrechen mit Ballontupfern ist es geworden.

Hilbrechts Entscheidung, den Narren, dessen Tochter Gilda im lüsternen Rachen seines Arbeitgebers landet, als ausgebrannten Dienstleister wie Arthur Millers „Handlungsreisenden“ zu zeigen, verkleinert das Drama. Bei Rigolettos daheim: Kleinbürgermief im Sofa. Die Demütigungen im Job sind so schal, die Liebe zum einzigen Kind so trocken in Szene inszeniert: Wie sollen wir diesem Vatertier glauben, dass er der Gefühlsextremist ist, den die Partitur zeigt? Ob das der Grund ist, dass Luca Grassi in der Titelrolle so pauschal klingt, diese kostbare Weite zwischen belcantischem Wiegenlied und mordlüsternem Furor so selten aussingt, auskostet, gestaltet?

Die männlichen Sänger haben Probleme: Rigoletto klngt Pauschal, der Herzog geht am Ende ganz unter

Überhaupt fragt man sich leicht beklommen: Hat der Abend keine guten Sänger oder haben die Sänger keinen guten Abend? Wie Grassi schon beim „Maledizione“-Ruf im ersten Akt fast ängstlich Richtung Dirigent sieht, da hat man weniger Furcht vor dem Fluch als um den Bariton. Matteo Beltrami am Pult der Essener Philharmoniker war als Verdi-Experte angekündigt. Viele kostbare Details, auch extrem raffiniert modellierte Crescendi lassen das hören. Als Koordinator ist er mitunter überfordert: Den Ball im ersten Akt prägen herbe Präzisionsprobleme.

Der Tenor wurde vor einer Woche krank, das Aalto hat keinen angemessenen Ersatz zu bieten

Über Carlos Cardosos hilflosen, von Akt zu Akt an Stimme einbüßenden Herzog den Stab zu brechen, wäre ungerecht. Tragischer, dass die Intendanz in acht Tagen keinen adäquaten Ersatz für den erkrankten Tenor Abdellah Lasri fand. Es leuchtet dafür Cristina Pasaroius Gilda umso strahlender: kein leichter Koloraturvogel, sondern ein warm timbrierter Sopran, der charmanterweise dem Opfer die größte vokale Autorität verlieh.
Es gab viel freundlichen Beifall.