Ein bedeutendes Werk der Gefühlsüberhöhungen und der Liebesidealisierungen – Mozarts "Entführung aus dem Serail" in Klagenfurt.

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Klagenfurt – Mit zarter, schon noch etwas nervös-unrunder Hand feiert die 27-jährige litauische Dirigentin Giedre Slekyte am Stadttheater Klagenfurt einen gelungenen Einstand als 1. Kapellmeisterin des Kärntner Sinfonieorchesters. Passenderweise mit jener musiktheatralischen Arbeit, mit der 1782 der 26-jährige Mozart im funkensprühenden Klangrausch die Herzen der Wiener eroberte: Die einzige "türkische" Eroberung, die dort Bestand hatte, das zusätzlich mit Becken, Trommel und Triangel besetzte Singspiel Die Entführung aus dem Serail.

Das Werk ist derart von Gefühlsüberhöhung und Liebesidealisierung geprägt, dass der ebenfalls noch junge Regisseur Michael Schachermaier es in seiner ersten Operninszenierung gleich in einen Alternativkosmos versetzt hat. Wie der städtischen Weihnachtsbeleuchtung entlehnt, agieren die bekannten Bühnenfiguren halb vergoldet in einem unwirklichen Raum voller Lichtschläuche.

Von der Besetzung her hat die Produktion ein bisschen was von einer Talenteshow, allerdings von einer sehr verheißungsvollen. Aus ganzer Seele gibt Anna Rajah, 1987 in England geboren, der Konstanze den stimmlichen Glanz einer himmlischen Liebe. Die Hingabe ihrer wunderbaren Melodiengirlanden, ihrer innig-sehnsüchtigen Koloraturen und musikalischen Triumphe der Erfüllung sind für die Sopranistin physisch selbst noch kaum fassbar.

Das Spielzeugboot

Den geliebten Belmonte, verkörpert vom deutschen Nachwuchstenor Simon Bode, überfordern sie noch viel mehr, sodass sich dieser über weite Strecken des Abends schreckhaft an sein Spielzeugboot klammert. Förmlich an die Wand geliebt, verbleibt dieser Held stets in einem lyrischen, leicht seufzenden Kammerton.

Für Entspannung sorgt da das Buffo-Unpaar des verschmähten Grobians Osmin (Raphael Sigling) und der Blonde (Amelia Scicolone). Die kleine Frauenrechtlerin des 18. Jahrhunderts hat in der Inszenierung eine reizende Bühnenpräsenz und macht durchaus glaubhaft, jedermann jederzeit die Augen auskratzen zu können.

Der sonst so halsabschneiderische Wächter lässt sich amüsant dominieren wie sonst nur vom Wein, von dem er im hinreißend mit seinem Nebenbuhler Pedrillo (Mathias Frey) dargebrachten Trinkduett genießt – bis er die Pumphose voll hat.

Über alldem steht mit dem Schauspieler Pascal Lalo ein weicher Weiser, der so verständnisvoll ist, dass es eigentlich gar keinen Grund gibt, aus seinem allen Menschenrechtsnormen genügenden Serail überhaupt wieder hinauszuwollen. Zumindest nicht als Besucher. (Michael Cerha, 12.12.2016)