Kultur-Clash, ganz aus Liebe geboren

(C) Stadtheater Klagenfurt/ Karlheinz Fessl
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Klagenfurt zeigt eine animierte Produktion der „Entführung aus dem Serail“ unter einer jungen Dirigentin.

Ja, die „Entführung“ ist ein politisches Stück – und man kann sich in Zeiten wie diesen um den Bühnenkrieg zwischen Islam und Christentum drücken, indem man entweder die Zwischentexte überhaupt streicht (wie jüngst in Zürich) oder alles Einschlägige herausstreicht. Die Kärntner kommen mit Letzterem viel näher an Mozart als die Schweizer, Mozart selbst war ja alles andere als ein grober Politisierer. Die Janitscharenklänge, das „Alla turca“-Kolorit sprachen ja eine Tiefenschicht seiner Umwelt an, keine 100 Jahre waren seit der Türkenbelagerung vergangen. Es ist der Schrecken an sich, der da tönte – und dass der osmanische Herrscher zuletzt die „christliche“ Nächstenliebe walten lässt, war deshalb ohnehin auch in den aufgeklärten Zeiten des Kaisers Joseph eine pikante Pointe.

Im Wesentlichen ging es beiden Herren, dem Kaiser wie seinem Compositeur, um die Etablierung eines „deutschen Singspiels“ in Wien; das gelang zwar nicht. Aber die „Entführung“ hielt sich als einziges Überbleibsel von diesem rasch verpufften Innovationsschub über Jahrhunderte im Repertoire. Eben nicht, weil sie irgendwelche versteckten politischen Botschaften enthält, sondern – wie immer bei diesem Komponisten – tief in die menschliche Seele lotet, von Liebe, Treue und Zurückweisung erzählt und von den Konflikten, die sich durch allerlei erotische Anfechtungen ergeben.

Hochdramatische Koloraturen

Das versucht – anders als sein Zertrümmerer-Kollege in Zürich – Michael Schachermaier herauszuarbeiten. Es gelingt ihm gewandt – noch neigt dieser junge Regisseur zu allzu viel Rummel auf der Szene; doch führt er die Personen der Handlung zwischendrin mit großem Geschick und dezent genug, dass sie sich dem wichtigsten Teil ihrer Arbeit widmen können: singend Schicksale fühlbar zu machen. Und dabei kommt Klagenfurts junge Besetzung erstaunlich weit: vor allem die mit fülliger Sopranstimme begabte Anna Rajah als Konstanze, die sichere Koloraturen platziert, aber schon über genügend Kraft verfügt, die dramatischen Aspekte ihrer komplexen Partie schon hörbar werden zu lassen.

Exzellente Gegenspieler sind der wohltönende Osmin von Raphael Sigling und der Bassa von Pascal Lalo – beide durchaus facettenreich, nachdenklich zuweilen oder gar unsicher. Dagegen wirken die christlichen „Eindringlinge“ Simon Bode und Mathias Frey geradezu wie tumbe Toren. Die tragen dann auch nicht unbedingt den Sieg davon. Gewiss, die resolute Blonde von Amelia Scicolone biegt sich ihren Pedrillo zurecht, doch Konstanze bleibt verstört zurück. Die Vielschichtigkeit Mozarts nützt die junge Dirigentin Giedrè Šlekyt – sie führt das Ensemble souverän, entlockt dem Kärntner Sinfonieorchester scharf geschliffene, konturierte Klänge mit Sinn für flexible melodische Entwicklungen trotz stetiger Tempi. Eine meisterliche Talentprobe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2016)

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