Selbst-Inszenierung als superschöner Dauerpartygast: Sopranistin Frederikke Kampmann als Violetta Valéry.

Foto: H. Prammer

Wien – In diesen seltsamen Zeiten – Stichwort: Menschen, die auf Smartphones starren – musste sie dann ja kommen: die Operninszenierung, in der alle nur an ihren kleinen rechteckigen Glücksbringern herumnesteln. Selbst der Rahmen der Guckkastenbühne von Lotte de Beers Traviata-Inszenierung hat Handyformat. Und darüber kann man jene SMS lesen, die Violetta verschickt. Oder eine Mail, in der sich Giorgio Germont für ihr aufopferungsvolles Verhalten bedankt. Ihren Feiertrubel müssen Violetta und Alfredo natürlich videofilmisch festhalten. Und Selfies werden sowieso fast dauernd gemacht.

Die Selbst-Inszenierung als sorgenfreier, superschöner Dauerpartygast: Das war das Programm von Verdis Violetta Valéry, und das ist auch das Bestreben vieler Nutzer von Facebook, Instagram, Whatsapp und Co. Es passt also eh ganz gut zusammen, was die junge niederländische Regisseurin dieser Koproduktion mit Operafront aus Amsterdam dem Publikum so zu sagen hat.

Aber nicht nur das szenische Geschehen (Ausstattung: Clement & Sanôu) wurde bearbeitet, gekürzt (auf eineinhalb Stunden) und ins Hier und Heute geholt, sondern auch die Musik. "Remixed von Moritz Eggert", verkündet das Programmheft, und ein paar Techno-Bassbeats wummern auch schon vor Beginn der Aufführung leise von der Hinterbühne in den Publikumsraum.

Doch die folgende Bearbeitung des deutschen Komponisten enttäuscht: Windschief, löchrig, klamaukig-zerrupft hört sich an, was das Wiener Kammerorchester unter der Leitung von Kalle Kuusava in etwas unsicherer Weise intoniert, angesiedelt im atmosphärischen Mittel zwischen Waldorfschulkonzert und Zirkus Roncalli. Alles andere als enttäuschend ist es, was das personell erneuerte Junge Ensemble des Theaters an der Wien in der ersten Premiere der Saison so bietet.

Lautstarke Begeisterung

Allen voran fesselt Frederikke Kampmann als eine intensive Violetta, die Dänin bewältigt die schwierige Partie mit ihrem hellen, höhensicheren Sopran souverän. Und der geschmeidige, leichtgängige, ölig glänzende Tenor von Julian Henao Gonzalez (Alfredo) ist reiner Ohrenbalsam. Matteo Loi setzt als Giorgio Germont (Alfredos Bruder) gesanglich mehr auf Druck, um zu imponieren. Anna Marshaniya und Florian Köfler überzeugen in diversen kleinen Partien auch darstellerisch. Lautstarke Premierenbegeisterung für die gegenwartsnahe Darstellung eines Opernklassikers. (Stefan Ender, 28.9.2016)