Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Aljoša Rebolj

Aktuelle Aufführungen

Thrillerartige Momente

SALOME
(Richard Strauss)

Besuch am
15. September 2016
(Premiere)

 

 

Stadttheater Klagenfurt

Ah! Ich habe deinen Mund geküsst, Johanaan …“: Diese Worte ihres langen Schlussgesangs singt sie mit verklärtem, irrem Blick und völlig blutverschmiertem Gesicht, während sie auf seinem blutigen Körper sitzt, der auf dem Sofa aufgebahrt liegt. Vom Henker wurde er diesmal nicht geköpft, sondern der hat ihm die Kehle durchgeschnitten: Es sind drastische Bilder, mit denen Richard Strauss‘ Salome am Stadttheater Klagenfurt fasziniert.

Die Inszenierung der heurigen Eröffnungspremiere wurde einmal mehr Michael Sturminger anvertraut, und der hat wieder ganze Arbeit geleistet: Nach einem anfänglich verhaltenen und recht statischen Leerlauf, nimmt seine ungemein präzise und detailreiche Personenführung dieses biblischen Stoffes, dessen Libretto auf Oscar Wilde fußt, Fahrt auf: Er steigert seine Inszenierung, die er im Heute anlegt, zu einer immer packender werdenden, schließlich eiskalten, thrillerartigen Atmosphäre.  Mit dazu bei trägt die kühle, unpersönliche Kulisse eines transparenten Palastes, der nur aus Eisenelementen, Gitter und Glas mit vereinzelten Kristalllampen besteht, was unwillkürlich die Assoziation eines Gefängnisses entstehen lässt. Hier agiert in heutigen, eleganten Kostümen, Abendkleidern und Smokings die „feine“ Hofgesellschaft. Die Ausstattung stammt von Andreas Donhauser und Renate Martin. Die vielen durchschaubaren Räume werden durch die gerne und teils zu häufig drehende Drehbühne vorgeführt. Besonders starke, gruselige Wirkung wird erzeugt, wenn Salome auf die Hinrichtung des Johanaan wartet, die Bühne regelrecht zu rotieren beginnt und mit einem projizierten Spinnennetz überzogen wird. Recht ungewöhnlich wird Salomes Tanz gezeigt, bei dem die Titelheldin kaum tanzt, sondern immer wieder angewidert aufhört und Herodes anfängt, sich strippend auszuziehen, was letztlich im Beischlaf der beiden endet. Zum Schluss kann Sturminger nicht widerstehen, alle Personen von Terroristen, die zuvor schon aggressiv sowohl mit Bärten und Kreuzen um den Hals im Palast als verkleidete Nazarener anwesend waren, erschießen zu lassen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Michael Kupfer-Radecky füllt die Rolle des Jochanaan textverständlich mit mächtigem Bariton und auch mit enormer Bühnenpräsenz aus. Er ist ein fundamentalistischer Prediger, vor dem man sich fürchten muss. „Sie ist ein Ungeheuer, deine Tochter. Ich sage dir, sie ist ein Ungeheuer“: Wortdeutlichst und messerscharf lässt uns jedes Wort erschauern: Jörg Schneider gibt mit ausdruckstarker Artikulation und zwischen Ängsten, Eidestreue, Ekel und Lüsternheit hin und hergerissener Herodes  dieser Rolle starkes Profil. Ursula Hesse von den Steinen singt die Herodias überzeugend. Mathias Frey ist ein Narraboth mit höhensicherem, schönstimmigem Tenor. Aufhorchen lässt der Page der Christiane Döcker. Adäquat besetzt sind auch die vielen kleinen Rollen wie Juden, Nazarener und Soldaten.

Foto © Aljoša Rebolj

Und die Titelheldin? Anna Gabler kann mit fein nuancierten, einschmeichelnden Tönen in den Piani punkten. Sie stößt mit dieser sehr fordernden Partie immer wieder an ihre stimmlichen Grenzen. Ihr Sopran ist dafür zu klein und zu wenig dramatisch. Allerdings kann sie die trotzige wie auch laszive Kindsfrau ideal und glaubwürdig verkörpern und hat eine große erotische Ausstrahlung.

Und dass obwohl das Kärntner Sinfonieorchester unter dem scheidenden Chefdirigenten Alexander Soddy im tiefer gesetzten Orchestergraben immer sängerfreundlich und ungemein transparent ist.  Soddy bevorzugt zügige Tempi, vor allem im Schleiertanz wird er zu forsch. Gewaltig und spannungsgeladen fahren die Steigerungen, wild ausfahrende Momente und schneidende Klänge aus dem tiefer gelegten Orchestergraben effektvoll heraus.  Aber auch sonst kostet er die vielen farbenreichen Fassetten und starken Emotionen der überwältigenden Partitur voll aus.

Spontane, stehende Ovationen des gesamten Publikums, das sich restlos begeistert zeigt.

Helmut Christian Mayer