Oper :
Schau mir bloß nicht in die Augen, Kleines

Von Eleonore Büning
Lesezeit: 5 Min.
Im Bühnenentwurf von Frank Gehry zum Berliner „Orfeo“ ist das Jenseits eine bunte Spielzeugwelt
Sir Simon Rattle gibt Wagners „Tristan und Isolde“ in Baden-Baden luxuriöse Leichtigkeit. Daniel Barenboim beschert mit seinem Berliner „Orfeo“ das totale Gluck-Glück.

Rühr mich nicht an! Aber der Blick ist es, der alles verrät. „Here's lookin' at you, kid“, sagt Bogart zu Bergman. Auch die irische Königstochter spricht von der Magie des Augen-Blicks. Gleich zu Beginn, kaum zehn Minuten sind vergangen von dem ewigkeitstrunkenen Stillstand, den Richard Wagner „Handlung“ zu nennen beliebte, sagt Isolde zu Brangäne: „Er sah mir in die Augen!“ Woraufhin sofort das Cello losschluchzt, in hoher Lage, mit Tremolo spielt es das Motiv mit dem Tristanakkord, welcher hier, wenn man die Ouvertüre abzieht, zum ersten Mal auftaucht. Nicht nur das Orchester hat diese Botschaft verstanden. Auch Brangäne weiß es jetzt: Tristan-Isolde, Isolde-Tristan, da ist nichts zu machen, die beiden sind eins, beschlossen und verkündet, und was daraus folgt, ist unvermeidlich. Sie könnte den beiden nun statt des Zaubertranks auch einen grünen Tee servieren. Und da das Auge, wie man so sagt, ein Spiegel zur Seele ist, darf sich auch Orpheus nicht umdrehen. Sprechen, singen, umarmen: alles erlaubt in der Unterwelt. Nur der Blick ist ihm verwehrt, auf seine entseelte Euridice, den Schatten, das Nichts.

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