Antigone: Schöner sterben mit Sekt

FOTOPROBE ´ANTIGONE´
FOTOPROBE ´ANTIGONE´(c) APA/KAMMEROPER/HERWIG PRAMMER
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Tommaso Traetta schrieb hoch spannende Musik, wie Attilio Cremonesi mit dessen „Antigone“ zeigt. Großteils wird recht erfreulich gesungen, die Regie patzt mitunter.

Eine Bemerkung vorab, weil es sich als Ärgernis durch das ganze Stück zieht: Das Publikum geschätzte 15 Mal mit einem in den Augen schmerzenden Lichtbalken zu blenden, ist ein merkwürdiges Verständnis von Lichtregie. Die Zahl derer, die ein Ticket erwerben, um sich die Netzhaut malträtieren zu lassen, dürfte überschaubar sein. Daher ein Vorschlag, auch im Interesse künftiger „Antigone“-Besucher in der Wiener Kammeroper: abdrehen oder dimmen. Zumal der Balken zum Stück nichts Erhellendes beiträgt.

Sonst bliebe nur: reflexhaft die Augen schließen. Das wäre insofern kein Unglück, als sich das Bemerkenswerte an diesem Abend ohnehin in der Tonspur abspielt. Und da zunächst einmal im Orchestergraben. Attilio Cremonesi hat mit dem Wiener Bach-Consort die hoch spannende Partitur von Tommaso Traetta erarbeitet, der gleichzeitig mit Gluck in Wien wirkte („Antigone“ entstand später am Petersburger Hof), heute aber im Gegensatz zu Gluck fast vergessen ist. Einen besseren Anwalt als Cremonesi hätte Traetta nicht finden können: Die Tempi zügig, aber nicht überhastet, eine bis ins Detail klug disponierte Dynamikregie, eine dem menschlichen Sprechen so nahe wie möglich kommende Phrasierung, und vor allem ein auch in feinen Pianopassagen noch energiereicher Klang, was besonders bei Stellen deutlich wird, an denen die Streicher über ausgehaltenen Tönen die Spannung halten müssen. Eine Spannung, die förmlich mit Händen zu greifen ist in diesem plastischen Klang, den Cremonesi mit seinen Musikern formt, durch gelegentliche Wackler im Holz nur wenig getrübt.

Ein guter Humus jedenfalls, auf dem das Vokale gedeihen konnte. Dieses lag großteils in Händen des Jungen Ensembles des Theater an der Wien. Viktorija Bakan in der Titelrolle verfügt über den nötigen dramatischen Zugriff, um die fordernde Titelpartie auszufüllen, und kommt auch mit den Koloraturen gut zu Rande. Ihre Antigone legt sie als so sensible wie eigensinnige Frau an, die in ihrer eigenen Welt lebt. Ein starker Kontrast zur als hektisch-nervöses Leder-Girl gegebenen Ismene von Natalia Kawalek, die mit ihrem satten Mezzo erneut einen starken Auftritt in der Kammeroper hinlegt.

Schlüssiges Konzept, verpatzte Details

Eine starke Vorgabe für die Herren. Countertenor Jake Arditti als Emone hielt nach Kräften mit (diese Kräfte sind nicht gering, an zwei, drei Stellen hätte er seine Stimme zügeln können), und auch Bass Christoph Seidl in der mäßig dankbaren Rolle des Adrasto bot eine gute gesangliche Leistung. Tenor Thomas David Birch als Creonte stieß in der Vorstellung am Mittwoch an seine Grenzen, nach der Pause raute die Stimme immer mehr auf, Unschärfen in der Intonation gesellten sich dazu. Forcieren als Gegenmaßnahme war da nicht hilfreich, es klang vor allem nicht besonders gesund.

Inszeniert wurde auch, nämlich von Vasily Barkhatov. Sein Konzept ist schlüssig, er lässt die ganze Handlung in der Familiengruft (Ausstattung: Zinovy Margolin) spielen. Dass keiner der Familiengeschichte entkommt, wird so anschaulich vermittelt. Bei zahlreichen Details patzt er jedoch ziemlich: Wenn etwa Antigone mit dem riesigen Kranz herumturnt, wirkt das unfreiwillig komisch, und wenn Emone zum scheinbar gemeinsamen Tod Sekt bringt – mit ein wenig Sprudel stirbt es sich doch gleich viel leichter, nicht wahr? –, dann ist das nur noch peinlich. Und dann wäre noch die Sache mit dem Licht . . .

Termine: 4., 9., 11., 15., 17., 19., 21. 12.: 19.00; 6. 12.: 16.00.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2015)

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