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Hänsel und Gretel

Märchenoper in drei Bildern
Text von Adelheid Wette
Musik von Engelbert Humperdinck



in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (eine Pause)

Premiere an der Wiener Staatsoper am 19. November 2015


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Wiener Staatsoper
(Homepage)

Einfach nur nett

Von Roberto Becker / Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Diese Oper hat nun wirklich ein paar Mitsinger, die sich auch nach über 100 Jahren noch im Kanon der Kinderlieder finden: "Suse, liebe Suse, was raschelt im Stroh?", "Brüderchen, komm tanz mit mir!" oder "Ein Männlein steht im Walde", auch die Frage der Hexe, wer da an ihrem Häuschen knabbert, und die Behauptung der Kinder, es sei der Wind, das himmlische Kind, kann man sich kaum anders als mit der dazugehörigen Melodie denken, die Humperdinck zum Gerüst seines Ausflugs in den deutschen Märchenwald gemacht hat. Natürlich, um drumherum gewaltig loszuwagnern. Seit der Uraufführung in Weimar 1893 unter Leitung von Richard Strauss ist Hänsel und Gretel zur Kinder- und Weihnachtsoper schlechthin avanciert. Und es bis heute geblieben.

Szenenfoto kommt später

Hänsel und Gretel verlaufen sich im Wald.

Wer wäre für diesen Weg in das von Wagner dominierte spätromantische Unterholz besser geeignet als Christian Thielemann. Der war eigentlich mal für ein paar Lohengrin-Dirigate in der Staatsoper vorgesehen, aus denen aber nach der Übernahme der Salzburger Osterfestspiele durch die Sächsische Staatskapelle und ihren Chefdirigenten nichts wurde. Doch in Wien steht Thielemann hoch im Kurs einer sonst gerne mäkelnden Publikumsgunst. Und so fiel dessen Wunsch, sozusagen als Ersatz, Humperdincks Hänsel und Gretel zu dirigieren, auf fruchtbaren Boden. Insgesamt vier Mal können sie also in Wien dem Preußen mit der Wagner-und Strauss-Vorliebe am Pult zujubeln. Was für Thielemann Verhältnisse (verglichen mit Dresden) schon viel ist.

Wie immer man zu dem Dirigenten, der es auch in Wien nicht lassen konnte, sein Verständnis für einen Teil der PEGIDA Demonstranten zu wiederholen, stehen mag: Was er in Sachen Humperdinck mit dem Wiener Staatsopernorchester bot, rechtfertigt den Abend. Das war einschmeichelnd packend, hin- und mitreißend, wunderbar farbig, eloquent melodisch bei den Kinderliedern und schwelgerisch in den Orchesterpassagen, fulminant beim Hexenritt. Die Wiener und Thielemann, das funktioniert auf dem Niveau jener Nobelklasse, die das größte Opernhaus der Stadt unbeirrt für sich selbst reklamiert. Das ist Weltspitze!

Szenenfoto kommt später

Hänsel und Gretel am Knusperhäuschen.

Der Rest - also die Besetzung und die Inszenierung tun freilich nur so. Beim eingeplanten Sängerpersonal war die Opernleitung vom Pech verfolgt. Jede Menge Umbesetzungen, die letzte am Premierentag - da fiel dann auch noch Publikumsliebling Adrian Eröd aus und Clemens Unterreiner musste als Peter Besenbinder den Abend retten.

Natürlich gab es Hänsel und Gretel kurz nach der Weimarer Uraufführung auch in Wien als Dauerbrenner. Richard Strauss dirigierte in Wien auch die einzige folgende Neuinszenierung zu Weihnachten 1922. Die hielt sich bis in die provisorische Ausweichspielstätte nach dem Krieg im Programm. Doch dann verschwand die Oper, zumindest im Haus am Ring, in der Versenkung. Jetzt also die erste Neuproduktion nach über 70 Jahren! Sie wird sich wohl lange halten können. Denn sie ist so gebaut, dass sie kein bisschen aneckt. Hier kann problemlos jeder Sänger, der die Partie drauf hat, von jetzt auf gleich einspringen.

Szenenfoto kommt später

Hänsel im Käfig, Gretel am Boden und die Hexe bei der Arbeit

Der britische Regisseur Adrian Nobel und sein Ausstatter Anthony Ward enthalten sich jeder Art von irgendwie (heraus-)fordernden Gedankengängen. Vergessen sogar, die Rahmenhandlung wiederaufzunehmen, die sie mit einem gemütlichen Familienabend beginnen, bei dem der Herr Papa seinen Kindern und der Frau Gemahlin mit einem um 1900 wohl als letzter Schrei geltenden Projektor die Welt vorführt. Als die Kinder allein sind, machen sie sich ihr eigenes Kino mit Hexe und verschwinden kurzerhand im Wald und der Geschichte von den armen Geschwistern, die nichts zu lachen haben bei Besenbinders daheim.

Das geht ziemlich konventionell über die Bühne mit einem Wald aus lauter Scherenschnitt-Gestrüpp. Schön bunt ist das alles. Und beim Hexenhaus putzig mit Tendenz zum Zuckerwerk-Kitsch a la K.u.K. Hofkonditor Demel. Dazu eine auf den ersten Blick ganz nette Hexe mit Brille, ein Riesenvogelkäfig für Hänsel und natürlich den Backofen, indem wegen kindlicher Geistesgegenwart die Hexe und nicht die Kinder landen. Das geht ziemlich glatt über die Bühne, sozusagen ohne mit der Wimper zu zucken. Das Romantische von Sand- und Taumännchen bleibt auf die Kostüme beschränkt.

Szenenfoto kommt später

Am Ende Friede, Freude, Luftballons.

Sicher darf bei dieser Oper auf die pure Märchenopulenz sein, aber man erwischt sich schon bei dem Gedanken, im Kopf die Gegenbilderwelt aufzumachen. Nicht die mit dem allemal kamerarunden Blick in den Wald, sondern vom gebannten Blick der Kids in den Bildschirm und das Netz. Aber gut: muss nicht sein. Auch wenn Wien als Wiege der Psychoanalyse kein schlechter Ort dafür wäre. Ärgerlich aber ist, dass Nobel auch das Potential szenisch verschenkt, das die Grimms als Schauerromantik sozusagen gratis mitliefern. Die ehemaligen Kinder im Publikum können sich ihren Teil denken und den Assoziationen zur Musik freien Lauf lassen. Man kann nur hoffen, dass die tatsächlichen Kids die ganze Sache nicht zu läppisch finden und auf halbem Wege zu Wagner wieder umkehren zu ihren Computerspielen.

Gesungen wird auf solidem, aber nicht herausragenden Niveau. Clemens Unterreiner macht seine Vertretungssache als Peter Besenbinder gut, an seiner Seite schwächelt Janina Beachle als Gertrud etwas. Handfest steht Daniela Sindram ihren Hänsel, Ileana Tonca krönt ihre Gretel mit schönen kantablen Momenten. Michaela Schuster ist eine Hexe, die auf ihre Wagnererfahrung zurückgreifen muss, um durchzukommen. Annika Gerhards ergänzt das Solisten Ensemble in den Rollen als Sand- und als Taumännchen. Natürlich ist der Kinderchor mit Eifer bei der Sache. Am Ende hängt der Himmel ganz versöhnt voller bunter Luftballons.


FAZIT

Christian Thielemann liefert am Pult einen wunderbaren Orchestersound zu Engelbert Humperdincks Opernhit Hänsel und Gretel, den Adrian Noble auf der Bühne szenisch verschenkt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christian Thielemann

Inszenierung
Adrian Noble

Ausstattung
Anthony Ward

Licht
Jean Kalman

Video
Andrzej Goulding

Choreographie
Denni Sayers

Kinderchor
Johannes Mertl

Dramaturgie
Stephan Steinmetz



Studierende der Ballettakademie
der Wiener Staatsoper


Kinder der Opernschule der
Wiener Staatsoper

Bühnenorchester der
Wiener Staatsoper

Orchester der Wiener Staatsoper


Solisten

Peter Besenbinder
Clemens Unterreiner

Gertrud
Janina Baechle

Hänsel
Daniela Sindram

Gretel
Ilena Tonca

Knusperhexe
Michaela Schuster

Sandmännchen / Taumännchen
Annika Gerhards



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Wiener Staatsoper
(Homepage)



Da capo al Fine

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