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Auf ausgetretenen Pfaden

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Reich an Emfpindungen: La Contessa di Almaviva (Valda Wilson).
Reich an Emfpindungen: La Contessa di Almaviva (Valda Wilson). © Walzl

Oldenburg - Von Wolfgang Denker. In Bremen hatte Felix Rothenhäusler Anfang des Jahres eine sehr ungewöhnliche Inszenierung von Mozarts „Le Nozze di Figaro“ vorgelegt, die sich mit den auf Stühlen aufgereihten Protagonisten fast in der Nähe einer konzertanten Aufführung bewegte.

Regisseur Rudolf Frey beschreitet in seiner Oldenburger Inszenierung andere Pfade, die sich aber als ziemlich ausgetreten erweisen. Er verlegt die Handlung in das Jahr 1910, kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Auch dies war eine Zeit gesellschaftlicher Umbrüche. Die Standesunterschiede waren noch „gültig“, aber es brodelte bereits.

Frey lässt die Bediensteten im Hause Almaviva mit Wäschestapeln treppauf, treppab eilen oder die Schuhe der Herrschaften putzen. Die Bühne von Madeleine Boyd mit Treppen, Türen und Fenstern ist ziemlich schmucklos und in tristen Farben gehalten. Mittels Drehbühne werden die Schauplätze variiert. Im letzten Akt wird eine Leuchttafel mit grüner Schrift heruntergelassen: „il gardino“ (der Garten) steht darauf. Hier legen alle ihre altbackenen Kleider ab und wuseln in Unterwäsche durch das nächtliche Dunkel. Ein Garten Eden, in dem es keine Standesunterschiede mehr gibt?

Freys Inszenierung kommt allzu bieder daher und krankt an Beliebigkeit. Weder das Revolutionäre noch das komplizierte Beziehungsgeflecht werden besonders herausgearbeitet. Und das komödiantische Potential dieser Oper bleibt auch weitgehend auf der Strecke. Die Personenführung ist oft nur harmlos und endet an der Rampe. Wenn der Regisseur bestimmte Akzente setzten will, ändert er einfach „bedeutungsvoll“ die Lichtstimmung. Worauf Frey nun eigentlich den Fokus legen will, bleibt diffus.

Auch die Charakterisierung der Figuren ist wenig ausgeprägt. Zum Beispiel Cherubino, dieser Jüngling, der nicht weiß, wohin er seine hormongesteuerte Schwärmerei lenken soll, bleibt so eher blass. Und die Gräfin ertränkt ihren Schmerz und ihre seelische Pein mit Kosmetiktüchern. Insgesamt ist es eine Inszenierung, die zwar keinem weh tut, die aber auch keine Fragen aufwirft und auch keine beantwortet. Und somit war die Bremer Produktion trotz ihres anfechtbaren Konzepts und diverser Defizite letztlich doch die spannendere.

Musikalisch kann man hingegen mit der Premiere zufrieden sein. Schon in der scharf akzentuierten Ouvertüre lassen Roger Epple und das Oldenburgische Staatsorchester es ordentlich brodeln. Epple wählt sinnvolle Tempi, die für anhaltende Spannung sorgen. Die Verwendung von historischen Instrumenten bis hin zum Hammerklavier erzeugt ein apartes, authentisches Klangbild. Der Chor in der Einstudierung von Thomas Bönisch zeigt sich bestens disponiert. Alexandra Scherrmann singt die Susanna mit Anmut und Charme. Ihre samtene Stimme entfaltet sich besonders in der „Rosenarie“. Auch ihr Duett mit der Gräfin, der Valda Wilson nicht nur bei „Dove sono“ viel Empfindungsreichtum sichert, gerät zu einem Glanzpunkt. Tomasz Wija ist als Figaro sehr präsent, ein kahlköpfiger „Underdog“, der zwar von Susanna gesteuert wird, aber durchaus eigenständig Biss und Zorn zeigt. Daniel Moon agiert als Graf vielleicht etwas zu zurückhaltend und ist kein Verführertyp, kann aber mit nobler Phrasierung überzeugen. Yulia Sokolik ist mit herbem Mezzo als Cherubino (regiebedingt) etwas blass. Anna Avakian bezaubert einmal mehr in der leider nur kleinen Rolle der Barbarina mit stimmschöner Gestaltung. Melanie Lang als Marcellina und Peter Kellner, der als Bartolo in seiner prachtvollen Rachearie ordentlich loslegt, runden die gute Ensembleleistung ab.

Kommende Vorstellungen: am 1., 4. und 8. Juli, jeweils um 19.30 Uhr am Oldenburgischen Staatstheater.

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