Luxusweib, Naivchen, gebrochene Frau: Patricia Petibon singt die Titelpartie in Jules Massenets Oper "Manon".

Foto: Michael Poehn

Wien - Jetzt ist sie also wieder zurückgekehrt an die Wiener Staatsoper - an jenes Haus, an dem sie anno 2000 als Olympia debütierte und zuletzt vor acht Jahren als Sophie im Rosenkavalier zu erleben war. Zwischenzeitlich wurde für Patricia Petibon das Theater an der Wien zur örtlichen Bühnenheimat, ihre umjubelte Giunia 2006 in Mozarts Lucio Silla unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt geriet zur Legende.

Zu Ostern 2011 hatte man im Schmuckkästchen an der Wienzeile miterleben können, wie sich der Koloraturstar repertoireerweiternd als Blanche in Poulencs Dialogues des Carmélites versuchte - nicht der erste Schritt weg vom Zwitscherfach, schon 2010 hatte Petibon in Genf die Lulu probiert.

Nun also die Titelpartie in Jules Massenets Manon. 2007 hat Anna Netrebko die Premiere der Inszenierung von Andrei Serban gesungen, welche die triviale Story passend in musicalglatten Bildern erzählt. In ihrem internationalen szenischen Rollendebüt (konzertant sang Petibon die Partie diesen Sommer in Kopenhagen) zeigt die 44-Jährige das Luxusweibchen Manon darstellerisch intensiv erst als süßes, kulleräugiges Naivchen, dann als bekennendes Feierbiest, dann als gebrochene Frau. Auch vokal wird Petibon mit einem wendigen, aber auch durchsetzungsfähigen Sopran allen Facetten dieser Partie gerecht - etwas mehr Glanz hätte man sich in der Stimme vielleicht wünschen können.

Beeindruckend auch das Hausdebüt des Met-erprobten Jean-François Borras als Chevalier Des Grieux: Im Kern von heldischer Festigkeit, weiß der Franzose seinen Tenor immer wieder samtig zu ummanteln. Ideal Markus Eiches Lescaut, frech Thomas Ebensteins Guillot, nobel Clemens Unterreiners Brétigny.

Schlichtweg genial ist es aber, was das Wiener Staatsopernorchester unter der Leitung des erstklassigen Frédéric Chaslin den ganzen Abend bietet: Verve, Intensität, Wucht vom ersten Ton an, dann diese Spielfreude, diese Reaktionsschnelligkeit und Flexibilität, dieses Kaleidoskop an Stimmungen - ein Fest!

Und das alles, während die Wiener Philharmoniker in China konzertieren, und ohne Orchesterprobe: Chapeau.