„Aida“, in angemessener Monumentalität

Eine
Eine "Aida" wie aus dem Ausstattungslehrbuch.APA/GEORG HOCHMUTH
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Römersteinbruch St. Margarethen. Regisseur Robert Dornhelm zog alle Austattungsregister. Meist mit viel Geschick, nur die Projektionen sorgten für gelegentliche Reizüberflutung. Vokal überzeugte vor allem Kristin Lewis in der Titelpartie.

Zuletzt war ja zu hören gewesen, die Opernfestspiele St. Margarethen seien insolvent. Es muss sich dabei um ein böses Gerücht handeln, denn angesichts des opulenten Feuerwerks, mit dem Ende des zweiten „Aida“-Aktes Radames' Sieg gefeiert wurde, lag nichts ferner als der Gedanke an einen Bankrott. Vielleicht hat man sich aber auch nur an die voralpenländische Devise gehalten, „Is d' Kua hin, kånns Kalbl a hin sein“ (in etwa: eh schon alles egal).

Wobei, so kaputt ist die Kuh gar nicht. Denn, wie Conférencieuse Barbara „Hals- und Steinbruch“ Rett vor der Premiere am Mittwoch sicherheitshalber noch einmal betonte, hat die Familie Esterhazy als Steinbrucheigentümer mit einer Auffanggesellschaft die heurige „Aida“ und auch die 2015 geplante „Tosca“ (auch unter Dornhelm) erst einmal gerettet. Ob und wie es dann weitergeht, wird sich zeigen, wenn man weitere Gesellschafter an Bord hat.
Und dass es weitergehen sollte, dafür kann es kein besseres Plädoyer geben als die heurige Produktion. Geholfen hat die Stückwahl: Mit Verdis populärem Drama über das unheilvolle Dreieck aus Liebe, Krieg und Religion wurde ein Werk angesetzt, das sich wie kein anderes für die überwältigende Naturkulisse eignet. Optisch, da es zu angemessener Monumentalität geradezu herausfordert, szenisch, da es durch das Ineinanderfallen von Handlung und Inhalt die Regie zur Geradlinigkeit zwingt. Die Geschichte erzählt sich von selbst, wer sie optisch gut umsetzt, hat im Römersteinbruch schon fast gewonnen.

Ausgeklügelte Licht- und Feuer-Regie


Eine Chance, die sich ein Robert Dornhelm und sein mit allen Margarethner Wassern gewaschener Bühnenbildner Manfred Waba nicht entgehen ließen. Was Waba da auf die Bühne wuchtete, gehört zum Eindrucks- und Stimmungsvollsten (ja, Oper darf unterhalten!) der letzten zehn Jahre. Dass Abu Simbel, Gizeh und Theben/Luxor da ein bisschen in eins fallen, dürften nur hartgesottene Ägyptologen bekritteln. Projektionen geben der Bühne Tiefe, eine ausgeklügelte Licht- und Feuer-Regie taucht sie in die passende Atmosphäre, und an der Statisterie, die in Hundertschaften die Szenerie bevölkert, wurde – zum Glück – auch nicht gespart.

Bleibt wie 2013 bei „La Bohème“ das Dilemma mit den ins Monumentale projizierten Protagonisten. Klar, man will auch Besuchern auf den hinteren Plätzen etwas bieten, will sie am Widerstreit der Gefühle teilhaben lassen, der im Gesicht von Kristin Lewis' Aida so schön hervortritt. Dabei läuft man freilich Gefahr, die so kunstvoll aufgebaute Atmosphäre zu konterkarieren, schlimmstenfalls zu (zer)stören. Ein Kompromiss hätte sein können, mit den Gesichts-Nahaufnahmen nur die Felswand am Rand zu bespielen. Wer da nicht hinsehen will, muss nicht. Aber Dornhelm projiziert auch mitten ins Zentrum, was mitunter zu einer regelrechten Reizüberflutung führt. Ganz abgesehen davon, dass Kameras richtig unbarmherzig sein können: Sie zeigen nämlich nicht nur die Kunstfertigkeit von Lewis' Mimik, sondern ebenso die Defizite, die ihr Tenor-Counterpart Martin Muehle in dieser Disziplin hat, er wirkte bisweilen nicht wie ein Radames, sondern eher wie dessen Schreiber.

Tontechnik mit Startschwierigkeiten

Allerdings nicht stimmlich, denn nach einem eher verhaltenen Beginn zeigte Muehle beachtliches Volumen, das einem Radames immer gut ansteht (und das auch durch Verstärkung nicht generiert werden könnte, wenn keine Substanz da wäre), auch wenn es manchmal ein bisschen ins Kraftmeiern kippte und er im Finale seine geliebte Aida regelrecht zu Tode sang. Auch Alexey Dedov als Amonasro musste sich erst warmsingen, von Beginn an ansprechend hingegen der Bass von Luca Dall'Amicos Oberpriester Ramphis. Stimmlich hatten allerdings die Damen die Nase vorn: Kristin Lewis gelang es trotz Verstärkung, ihrer Aida alle stimmliche Subtilität angedeihen zu lassen, die diese Rolle fordert. Sie ließ vor allem auch mit einer ansprechenden Tiefe aufhorchen, mit der sie der sicheren, stimmstarken Annuanziata Vestri als Amneris Paroli bot. Zu einem Höhepunkt wurde denn auch das Aufeinandertreffen der Rivalinnen im Ersten Bild des Zweiten Aktes.

Alfred Eschwé bewältigte auch heuer die nicht geringe Herausforderung, das Geschehen auf der Bühne und im Orchester-Refugium zu koordinieren, mit Geschick, wobei manchmal etwas mehr Biss gutgetan hätte. Die Tontechnik hat die Premiere hoffentlich dazu genützt, Defizite bei der Einstellung zu beseitigen. Die Balance zwischen Sängern, Chor und Orchester war vor allem vor der Pause oft problematisch, die elektronischen Prothesen klanglich schon unauffälliger.

Ach ja: Die Elefanten, die die Produktion vor zehn Jahren veredelt hatten, sind auch fast gar nicht abgegangen. Irgendwo muss man dann halt doch sparen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2014)

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