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Eine sonderbare Begegnung: das Füchslein (Chen Reiss) und der Förster (Gerald Finley) im Staatsopernwald.

Foto: APA/Michael Poehn

Wien - Die Staatsoper gleicht einer netten Märchenfee. Mit der von ihr forcierten erzählfreudigen, dabei eher deutungsabstinenten Regieästhetik landet sie zwar regelmäßig in keiner internationalen Opernchart. Mit einer Auslastung, die knapp unter 100 Prozent tänzelt, lässt sie jedoch kommerzielle Träume wahr werden. Zweifellos steuert sie nun mit der finalen Saisonpremiere auf ihr diesbezügliches Glanzstück zu, auf einen Besucherandrang also, der wohl mindestens 120 Prozent Hausauslastung verspricht.

Hier erwacht ja - kleine und große Kinder ansprechend - der echte Wald, auch wenn er auf einem Podest steht: Drei stolze Baumstämme erheben zu Beginn ihr Haupt (Ausstattung: Amra Buchbinder), geben den Blick frei auf ein friedliches Milieu, das ein buntes Tierbuch nicht putziger einfangen könnte: Es krabbeln die Käfer, es flattern die Libellen, es hüpfen die Frösche; ungestört debattiert das Naturparlament der Walddemokratie. Außer man ist gerade ein unvorsichtiger Hahn (Heinz Zednik), der sich einer Füchsin nähert und somit das Zeitliche segnet.

Komponist Leos Janácek geht es in dieser Parabel ja nicht ums Idyllische. Er umschleicht mit symphonischer Emphase den ewigen Lebenskreislauf, zu dem Tod und neues Leben gehören.

So muss auch der Erdenwurm vorkommen, als Irritation des Naturhaften, als reflektierende Existenz zwischen Melancholie und Lächerlichkeit. Er kann ein besoffener Schulmeister (profund: James Kryshak) sein, der eine Sonnenblume für eine ferne Geliebte hält. Er kann ein Pfarrer (energisch: Andreas Hörl) sein, den im Wald Beziehungserinnerungen plagen. Er kann aber auch ein Förster sein, dem das Füchslein, um das sich alles dreht, mitunter die Sinne vernebelt. Im Traum erscheint es ihm als weibliches Wesen, das sich aufrichtet, und bei Regisseur Otto Schenk darf es auch ein Traumküsschen geben. Natürlich bleibt dies jugendfrei, wie auch die ganze Produktion ein altersmilder Spaß mit präziser gestischer Vermenschlichung des Tierischen (oder auch umgekehrt) ist.

Es sind kleinen Szenen, wie die Paarwerdung von Füchsin und Fuchs (solide: Hyuna Ko), die Schenks filigran modelliert; Sopranistin Chen Reiss (als Füchslein vokal tadellos präsent, elegant und klar, wenngleich nicht von großer Stimme) ist da ganz in ihrem subtilen Element: Sie vereint die Eigenschaften eines freiheitsliebenden Wesens delikat mit dessen Staunen über die plötzliche eigene Verliebtheit, bis sie von Wilddieb Harasa (impulsiv: Wolfgang Bankl) erschossen wird.

Erinnerungen an die Tote

Zurück bleibt der grübelnde Förster (vokal von gewohnter Souveränität: Gerald Finley, darstellerisch eher zu routiniert), dem im Wald abermals, wie am Anfang, ein Frosch auf der Nase tanzt und dem sich ein junges Füchslein nähert, das ihn an das tote erinnert. Der ewige Kreislauf von Werden und Vergehen eben, hier genau erzählt, musikalisch aber farbenreich inszeniert.

Dirigent Franz Welser-Möst, der unlängst in Cleveland (seiner zweiten Arbeitsstätte) Das schlaue Füchslein erarbeitet hat, versteht es mit dem Staatsopernorchester, die rein instrumentalen Passagen zu Gemälden schillernder Intensität zu formen. Auch vermag er diese singuläre Stilistik mit ihrer bisweilen modalen, folkloristischen Anlage, mit ihren abrupten Richtungs- und Stimmungswechseln prägnant aufzuschlüsseln. Das eigentümlich Kantige dieser Musik findet sich denn auch nicht in einen Schleier des Schönklangs gehüllt.

Applaus für alle, besonders für Schenk, der mit dieser Arbeit nach 26 Jahren Pause als Regisseur an die Staatsoper zurückkehrt. (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 20.6.2014)