Staatsoper: Milder Titus, matte Szenerie

La clemenza di Tito
La clemenza di Tito(C) Staatsoper/ Barbara Zeininger
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Mozarts „La clemenza di Tito“, neu besetzt: Dirigent Adam Fischer kämpfte wacker gegen die szenische Tristesse.

Da hängt eine Schnapsleiche am Tisch, ein Mitglied der Partygesellschaft des Kapitols, die nicht merkt, dass einige unter ihnen längst den Umsturz planen. Später wird der Höfling doch noch auf die Beine gebracht und lässt sich mit weichen Knien fortführen: Ähnlich benommen reagierte an diesem Sonntag längere Zeit auch das Publikum – doch kann man dieses Detail auch als Pars pro Toto für Jürgen Flimms bleischwere, müde Inszenierung von Mozarts „La clemenza di Tito“ begreifen. Das Bühnenbild verwendet bewegliche, repräsentativ-historisch gemeinte Wände, hinter denen sich in heutigem Gewand Sex and Crime abspielen soll – doch es bleibt bei weitgehend statisch-spannungslosen Behauptungen. Sogar der große Anschlag auf den Kaiser gegen Ende des ersten Akts bringt keine Verdichtung.

Umso dankbarer war man Adam Fischer, der mit allen Mitteln gegen die szenische Tristesse kämpfte. Eine Labsal, wie er das Orchester mit teilweise unkonventioneller, aber immer zweckdienlicher Gestik antrieb: So feinnervig, gespannt, federnd und schön phrasiert, namentlich in den Holzbläsern, tönt es gerade bei Mozart nicht immer aus dem Graben. Da verzeiht man auch kleine Holperer.

Passend burschikos: Michèle Losier


Die fast durchwegs neue Besetzung steigerte sich nach der Pause sängerisch, versprühte aber szenisch wenig Energie – auch wenn etwa Michèle Losier in der zentralen Hosenrolle des Sesto so passend burschikos wirkte. Ihr etwas flackriges Timbre störte zwar bei den Koloraturen, doch fand sie schließlich zu innigen Tönen, wenn sie als beinah zu dessen Mörder gewordener Freund des Kaisers reuevoll den Tod erwartet. Undenkbar allerdings, dass eine so biedere Vitellia, wie sie Véronique Gens auf die Bühne stellte, Sesto zum Attentat hätte anstiften können: Ihr exaltierter Ton ist nur der eines Opfers, keiner Täterin. Musste sie im ersten Terzett vor den Höhenanforderungen nervös kapitulieren, blieb in „Non più di fiori“ auch ihre Tiefe nur dünn: kein zwingendes Engagement. Das galt abgeschwächt auch für den wackeren Toby Spence, der mit etwas gequältem Klang den Tito nicht als verzeihenden Souverän, eher als unentschlossenen Berufsjugendlichen darstellte. Margarita Gritskova ließ als Annio Expression und Ebenmaß hören, Einspringerin Chen Reiss stattete die Servilia mit silbrigem Wohllaut aus. (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2014)

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