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Musiktheater
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Werther

Drame lyrique in vier Akten und fünf Bildern
Libretto von Edouard Blau, Paul Milliet und Georges Hartmann nach Johann Wolfgang von Goethe
Musik von Jules Massenet

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln 

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Düsseldorf am 25. April 2014
(rezensierte Aufführung: 30.04.2014)


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Rheinoper
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Werthers Leiden in der Retrospektive

Von Thomas Molke / Fotos von Hans Jörg Michel

Obwohl Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werther bereits wenige Jahre nach seiner Erscheinung von zahlreichen Komponisten für die Opern- und Ballettbühne adaptiert worden war, verebbte das Interesse an diesem Stoff allmählich Mitte des 19. Jahrhunderts, so dass sich von diesen Vertonungen kein Werk im Repertoire halten konnte. Von daher verwundert es nicht, dass Massenets Vertonung zunächst auf wenig Interesse stieß. Léon Carvalho, der Direktor der Pariser Opéra Comique, lehnte das Stück kurzerhand ab, so dass das Werk erst fünf Jahre später an der Wiener Hofoper seine Uraufführung erlebte, und zwar in einer deutschen Übersetzung. Hier reichten der überwältigende Erfolg von Massenets Manon und die Fürsprache des Tenors Ernest van Dyck, dass man sich bei dem Bestreben, weitere Opern von Massenet zur Aufführung zu bringen, für die Uraufführung mit van Dyck in der Titelpartie entschied. Erst nachdem das Werk auch in Genf das Publikum begeistert hatte, gelangte es auch in Paris zur Aufführung und hat einen festen Platz im Opernrepertoire erhalten. Nachdem es in dieser Spielzeit bereits in Essen eine Neuinszenierung gegeben hat (siehe auch unsere Rezension), hat nun auch die Deutsche Oper am Rhein eine Neuproduktion auf den Spielplan gestellt.

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Werther (Sergej Khomov) lässt sein Leben noch einmal Revue passieren.

Massenets Oper unterscheidet sich von Goethes Roman vor allem in der Erzählstruktur. Während im Roman alle Figuren nur durch Werthers Augen gesehen werden und man folglich nie weiß, ob sie wirklich so sind, wie sie vom Erzähler beschrieben werden, entwickeln sie in der Oper eine eigene Persönlichkeit, da sie auch in Abwesenheit Werthers auf der Bühne agieren. Bei Massenet ist es nicht Charlottes aufrichtige Liebe zu Albert, die dazu führt, dass sie sich Werthers Werben und ihren innigen Gefühlen für ihn widersetzt, sondern ein Versprechen, das sie ihrer Mutter auf dem Sterbebett gegeben hat. Eine Szene in Goethes Roman, in der Werther und Charlotte ihre Seelenverwandtschaft über ein Gedicht Klopstocks erkennen, überträgt Massenet auf ein weiteres Pärchen, Brühlmann und Käthchen, die in der Oper zunächst wie das perfekte Paar wirken, von denen man allerdings im zweiten Akt erfährt, dass sie sich getrennt haben, was vielleicht aufzeigen könnte, dass auch Werther und Charlotte kein gemeinsamer Weg vergönnt sein dürfte, selbst wenn sie sich gegen Albert entschieden hätte.

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Szenen einer Ehe: Charlotte (Katarzyna Kuncio) und Albert (Laimonas Pautienius)

Joan Anton Rechi entscheidet sich in seiner Inszenierung, die Geschichte aus der Retrospektive zu erzählen und beginnt bereits vor der Ouvertüre mit Werthers Selbstmord. Wie im Roman ist Werther nach dem Schuss nicht sofort tot, sondern verblutet langsam, was ihm die Möglichkeit gibt, die ganze Geschichte in seinem Kopf noch einmal Revue passieren zu lassen. So wirkt das Bühnenbild von Alfons Flores mit seinen geschwungenen Wänden mit den melancholischen grünlichen Lichtstimmungen von Volker Weinhart wie eine surreale Traumlandschaft. Während Werther im vorderen Bereich der Bühne in einem Sessel sitzt, sieht man hinter einem Gaze-Vorhang den Amtmann Le Bailli mit seinen Kindern ein Weihnachtslied proben. Dass Werther die Schönheit der Natur bei kahlen Bäumen besingt, ist ein weiteres Zeichen dafür, dass in dieser Traumwelt Werthers die Realität keinen Platz hat. Auch die Figur des Werther wird gedoppelt. So sieht der sterbende Werther, der im Programmheft als Schatten bezeichnet wird, sich selbst in dieser Welt auftreten. Erst jetzt hebt sich der Gaze-Vorhang und der Schatten verschmilzt mit dem Sänger zu einer Person. Wenn Charlotte und Albert nach ihrer Hochzeit gemeinsam an einem Tisch sitzen, wird dies nun von dem Sängerdarsteller des Werther beobachtet, der in dem Sessel Platz genommen hat. Durchgehalten wird die Omnipräsenz Werthers allerdings nicht. Der Beginn des dritten Aktes gehört Charlotte und ihren Gefühlen ganz allein.

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Werther (Sergej Khomov) und Charlotte (Katarzyna Kuncio) gestehen sich ihre Liebe.

Eine besondere Bedeutung kommt auch der Farbe Rot zu, die Werther einerseits als leidenschaftlich liebenden, andererseits als sterbenden Mann charakterisiert. Während er sowohl ein rotes Hemd, als auch eine rote Hose und ein rotes Sakko trägt, gewinnt in Charlottes Kostümen erst im Verlauf des Stückes die rote Farbe die Oberhand. Wenn sie vom Ball im ersten Akt mit Werther zurückkehrt, trägt sie sein rotes Sakko als Umhang, was sie allerdings sofort ablegt, als die Rückkehr ihres Verlobten Albert verkündet wird. In der Ehe passt sie sich kleidungstechnisch im braunen Hosenanzug eher ihrem Gatten an, wobei nur ein rotes Tuch in der Jackentasche noch den Keim eines Gefühls für Werther andeutet. Erst wenn sie sich im dritten Akt nach Werthers mehrmonatiger Abwesenheit ihre tiefen Gefühle für diesen eingesteht, trägt auch sie ein rotes Kleid, in dem sie zumindest farblich für kurze Zeit mit Werther eins werden kann, wobei Rechi die beiden im vierten Akt trennt. Nachdem Werther erneut auf sich geschossen hat, ruft er Charlotte an und die Liebesschwüre erfolgen quasi nur über das Telefon, während Werther und Charlotte in zwei ähnlichen Sesseln sitzen, die durch zwei Lichtkegel räumlich deutlich getrennt werden.

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Telefongespräch vor dem Tod: Werther (Sergej Khomov) und Charlotte (Katarzyna Kuncio)

Albert wird in Rechis Inszenierung sehr negativ gezeichnet. So reagiert er bereits im zweiten Akt während des gemeinsamen Essens mit Charlotte bei dem aufkeimenden Verdacht, dass seine Frau etwas für Werther empfinden könnte, äußerst aggressiv, schmeißt das Geschirr vom Tisch und ritzt mit dem Messer Furchen in den Tisch. Wenn Charlotte im dritten Akt allein über ihre Gefühle für Werther sinniert, sieht man ihn hinter einem Gaze-Vorhang auf der rechten Seite mit einer großen Jagdtrophäe auftreten, für die er an einer Wand voller Hirschköpfe einen geeigneten Platz sucht. Wenn er später nach Hause zurückkehrt und seine Frau mehrmals vor ihm fliehen will, hält er sie äußerst brutal zurück und schleudert sie immer wieder in den Sessel, in dem sich Werther zu Beginn des Stückes erschossen hat.

Musikalisch überzeugt vor allem der Teil nach der Pause. Sergej Khomov fehlt in der Titelpartie bis zur Pause ein wenig der lyrische tenorale Schmelz für diese Partie. Seine Stimme ist zwar sehr diszipliniert und sauber geführt, lässt aber die Emotionen vermissen, die die Figur auszeichnen. Erst nach der Pause werden sowohl sein Spiel als auch sein stimmlicher Ausdruck überzeugender und machen ihn als leidenden Mann, der den einzigen Ausweg im Selbstmord sieht, glaubhafter. Katarzyna Kuncio begeistert als Charlotte mit warm-timbriertem Mezzo und begeistert vor allem im dritten Akt mit intensivem Spiel und einer Leidenschaft, die unter die Haut geht. Schade ist nur, dass Rechi die beiden Protagonisten im vierten Akt durch das Telefongespräch wieder voneinander trennt und damit das intensive Zusammenspiel auflöst. Laimonas Pautienius verleiht dem Albert mit kräftigem Bariton eine nahezu Angst einflößende Autorität und Alma Sadé glänzt als Sophie mit leuchtendem Sopran. Christoph Altstaedt lotet mit den Düsseldorfer Symphonikern Massenets emotionsgeladene Musik differenziert aus, ohne dabei in Kitsch zu versinken, so dass es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Die größten Momente hat das Stück musikalisch und szenisch nach der Pause. Rechis Ansatz der Retrospektive ist zwar nicht zwingend, aber größtenteils nachvollziehbar.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Christoph Altstaedt /
Wen-Pin Chien

Inszenierung
Joan Anton Rechi

Bühne
Alfons Flores

Kostüme
Sebastian Ellrich

Licht
Volker Weinhart

Kinderchor
Karoline Philippi

Dramaturgie
Bernhard F. Loges

 

Kinderchor am Rhein

Düsseldorfer Symphoniker


Solisten

Werther
Sergej Khomov 

Albert
Laimonas Pautienius

Le Bailli
Sami Luttinen

Schmidt
Bruce Rankin

Johann
Daniel Djambazian

Brühlmann
Attila Fodre

Charlotte
Katarzyna Kuncio

Sophie
Alma Sadé

Käthchen
Hagar Sharvit

Werthers Schatten
Joeri Burger



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper am Rhein
(Homepage)



Da capo al Fine

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